Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band III (3)

200 Verträge 1870. 
trachtung der Verfassung selbst um zu sehen, welcher Abschluß denn mit 
dieser Verfassung gegen die Vergangenbeit gegeben ist, und da erinnere ich 
Sie an ein Wort des Herrn Abgeordneten Lasker, indem er gefragt hat: 
Wem kommen denn die Veränderungen dieser Verfassung eigentlich zu Gute? 
Darauf hat er geantwortet: Direkt zu Gute kommen sie eigentlich nur dem 
Bundesrathe; der ist gestärkt und gekräftigt, dessen Befugnisse sind erweitert: 
sja ihm ist durch besondere Einrichtungen eine besondere Entwicklungsfähig- 
keit gegeben und man hat ihn somit in die Lage gebracht, selbst immer 
noch weitere Erwerbungen dazu zu machen. Und wer ist denn eigentlich 
der Bundesrath? fragt Herr Lasker dann. Das ist die organisirte Bureau- 
kratie, antwortete er ganz richtig, und ich stimme ihm heute noch ganz 
ausdrücklich zu, weil seine Ansführung ganz meine Meinung ausdrückt. 
Glaubt nun der Herr Abgcordnete Lasker, daß, obgleich der Bundesrath so 
organisirt ist, und eine so bedeutende Stellung in der Verfassung hat, doch 
die Förderung der Entwickelung zu erzielen wäre, wie er sie im Auge hat 
und sie hofft? Sieht denn Herr Lasker nicht, daß gerade durch die Ein- 
richtungen die Entwicklungsfähigkeit der Verfassung gerade in seinem Sinne 
außerordentlich gehemmt ist? Die eigenthümlichen Einschränkungen, die im 
baierischen Vertrage gegeben sind, gehen gerade darauf hinaus, die Macht 
der Bure#aukratie nicht blos hier, sondern wiederum in Baiern selbst zu 
stärken. In Ansehung der Militärsachen, wie es da mit Baiern steht, wie 
es mit dem Gelde werden soll, hört man ja die verschiedensten Auslegungen, 
und ich will Ihre Sache, wenn Sie nun einmal dem Vertrage zustimmen 
wollen, nicht dadurch kompromittiren, daß ich hier irgend eine Auslegung 
mache. Ich will also, was das betrifft, wie wir die Sache aufzunehmen 
baben, oder vielmehr wie ein späterer Reichstag sie zu behandeln hat, (soll- 
ten Sie den Vertrag annehmen), Ihnen die Hand vollständig frei lassen. 
Aber darauf muß ich Sie doch aufmerksam machen, daß Sie ein gefähr- 
liches Danaergeschenk den Baiern damit geben; denn in der besten und 
allergünstigsten Auslegung des Artikels machen Sie die gefährlichsten Vire- 
ments des Militärfonds zu einer Institution; das heißt, Sie machen, um 
praktisch zu sprechen, den Streit über die Ueberschüsse, den das Ministerium 
Abel in Baiern so lange gehabt hat, zu einer Institution, die faktisch nur 
dem Kriegöminister und dem, was drum und draun hängt, zu Gute kommt. 
Meine Herren, ich bin ja überzeugt, das Materielle des Militärwesens wird 
mittelst der Inspektionen vollständig gewahrt werden, und das ist ja für das 
Gesammtinteresse die Hauptsache. Ich gestebe deshalb offen, daß, welche 
Interpretationen Sie auch annehmen mögen, ich, was uns betrifft, die Ge- 
fahr nicht für so sehr groß ansehe; aber das muß ich gestehen, daß für die 
Baierische Kammer eine sehr üble Lage daraus erwachsen wird. Ist es denn aber 
gleichgültig, meine Herren, ob an irgend einer Stelle und nun noch dazu in dem 
zweitgrößten Staate unseres Bundes das konstitutionelle Recht in einer Weise 
verkümmert wird, daß damit das eigentliche Verfassungsleben aufhört? Das ist
	        
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