Generaldebatte. Migquel. 207
lich war, in Beziehung auf die Verfassung ron 1866, nicht sagen kann, ist
es ein Staatenbund, ist es ein Einheitostaat, ist es ein Bundesstaat? Es ist
eben die Verfassung ron 1866. Ganz ebenso ist es mir unmäglich, das
Verhältniß dieses neuen Bundes zu dem Staate Baiern zu definiren. Baiern
steht nicht im weiteren Bunde im engeren Sinne, Baiern ist auch kein
rolles Mitglied des deutschen Bundes, Baiern steht in dem neuen Bunde
nech nicht ganz, es ist noch nicht ein volles Mitglied desselben geworden.
(Hört! bört! Sehr wahr!) Meine Herren, darum also bekümmere ich mich
nicht. Ich wäre auch bereit, und ich glaube, meine Freunde wären es mit
mir, wenn wir ein wirkliches Bedürfuiß des baierischen Staates, wenn wir
ein wirkliches Bedürfniß des baierischen Volkes erkennten, solche Forderungen
den baicrischen Ministern zu gewähren; aber unsere Nachgiebigkeit wird so
schwierig, weil wir eben solche Interessen des Volkes in jenen Forderungen
nicht erkennen, sondem blos Interessen und Nachgiebigkeit an die Vor-
urtheile und an die Herrschsucht der baierischen Militär= und Ciril-Bureau-
kratie. (Lebhafter Ruf: Sehr wahrt!) Meine Herren, ich betrachte daler
allerdings, das gestehe ich ganz offen, vielleicht im Gegensatze zu vielen
meiner Frcunde, diese verschiedenen jurn singulorum, Pririlegien und
Exekutivrechte, die Baiern unter dem Drucke der Zeiten sich zu erstreiten ge-
wußt hat, — die betrachte ich nicht als so gefährlich für die weitere Eut-
wickelung des Bundes, als die organischen Veränderungen, die durch Baiern
in den Kern des Bundes selbst hineingebracht werden sollen, (Hört! Häört.)
denn ich sage, diese jum singulorum tragen den Keim des Todes in sich,
nicht, weil wir sie später beseitigen würden, nicht weil das Parlament selbst
aus dem Centralsitz sie wird abschneiden müssen, sondern weil das baierische
Volk und die baierischen Kammern erkennen werden, daß das ein Danger-
geschenk ist. (Ruf: Regierung!) Die baierische Regicrung wird den baierischen
Kammern und dem baierischen Volk endlich nachgeben müssen. Glauben
Sie denn etwa, daß das baierische Volk ein Interesse daran hat, daß seine
Gesandtschaften bestehen bleiben, daß die Kosten für die nutzlose baierische
Diplomatie auf dem baierischen Budget stehen bleiben? — Hat denn das
baierische Volk ein Interesse dabei, daß in Baiern eine selbstständige Ver-
waltung über Eisenbahn= und Postwesen ohne Kontrole des Bundes fort-
besteht, — glauben Sie in Baiern eine bessere und billigere Postorgauisation
berstellen zu können, als wir sic in dem ganzen übrigen Deutschland haben?
Glauben Sie, daß etwa das Verkehrswesen in Baiern isolirt sich besser ent-
wickeln wird, als im Anschluß an das große deutsche Verkehrswesen? Glauben
Sie, daß wenn die Militärlasten für Baiem nach dem Vertrage dieselben
bleiben wie für Norddeutschland, die Stellung der baierischen Kammern in
Beziehung auf das Militärbudget eine erträglichere oder angenehmere sein
wird, als wenn die baierischen Abgcordneten hier im Parlament vollständig
ebenso votiren als wir? — Sie kénnen iede dieser einzelnen Forderungen
durchgehen, Sie werden zugeben müssen, diese Vorderungen enthalten in keiner