254 Vertrag mit Baden und Hessen.
lich, diejenigen Grundrechte zu garantiren, welche im Angenblicke überall in
Deutschland, mit Ausnahme vielleicht von Mecklenburg, verfassungs= und ge-
setzmäßig bestehen, und ich hoffe, daß die Majorität dieses Hauses diesem
meinem Verbesserungsantrage zustimmen wird. Ja, ich will auch noch nicht
verzweifeln, daß selbst die Regierungen diesem Zusatzantrage zustimmen wer-
den, denn ich kann nicht glanben, daß man bei Gründung des nenen deutschen
Bundes selbst hinter die, doch wahrlich so mäßigen Versprechungen und Ver-
heißungen des alten im Jahre 1866 verstorbenen Bundes zurückgreifen sollte;
denn selbst die Bundesakte rom Juni 1815 hat in ihren Artikel 18 die
Verheißung anfgenommen, daß die Bundesversammlung sich in ibrer ersten
Sitzung mit gemeinsamen Verfügungen über die Preßfreiheit beschäftigen
werde. Also schon damals, im Jahre 1815, ist das Princip der Preßfrei-
beit als ein gemeinsames deutsches proklamirt worden, und mehr, meine
Herren, verlauge ich in diesem Angenblicke nicht. Es ist also mein Antrag
nicht darauf gerichtet, oder man kann ihm nicht den Einwand entgegensetzen,
daß er in irgend einer Weise das Zustandekommen des inigungswerkes ge-
fährden würde; im Gegentheil, wenn die Regierungen dem Antrage zustim-
men, so werden sie damit den gerechten Argwohn beseitigen, der entstehen
muß, wenn man sieht, daß bei allen partikularistischen Vorbebalten, die soust
den süddcutschen Staaten zugestanden sind, man gerade die Gesetzgebung
über die Presse und das Vereinswesen dem Bunde überwiesen hat. Ich sage,
der Argwohn liegt sehr nabe, daß man es dabei auf eine rückschreitende Ge-
setzzgebung abgesehen hat, daß den süddentschen Regierungen die Preßfreibeit,
die gegenwärtig verfassungsmäßig und thatsächlich bestebt, unbequem gewor-
den ist, und daß sie eine Abhilfe von der Bundesgesetzgebung erwarten.
(Links: Sehr wahr!) Meine Herren, wenn dieser Argwehn unbegründet
ist, dann sprechen Sie doch offen vom Regierungstische aus: in der künftigen
Bundesgesetzgebung soll Preßfreiheit, soll Vereinsfreiheit herrschen! Damit
werden Sie jeden berechtigten und sehr leicht möglichen Widerspruch in Süd-
deutschland, der sich gegen diese Bestimmung und damit — da Sie ja die
Verfassung für ein untreunbares Ganze erklärt haben — gegen die ganze Ver-
fassung erheben würde, mit einem Schlage mundtodt machen. Ich mechte
Sie daher dringend bitten, in dieser Weise im Interesse des Zustandekom=
mens des Einigungswerkes selbst für meine Anträge zu stimmen.
Präsident des Bundeskanzler-Amts Staatsminister Delbrück'): Meine
Herren, ich muß auch hier bitten, den Antrag des Herrn Vorredners abzu-
lehnen. In seiner Motivirung scheint er mir vorzugsweise auszugehen von
einem mir kaum erklärlichen Mißtrauen gegen den künftigen Reichstag.
Einem Mißtrauen in die Regierungen kann er nicht abhelfen, denn wenn
sie wirklich die Absicht haben sollten, eine Preßgesetzzebung oder eine Ver-
"*)) St. B. S. 117 r. g. u.