Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band III (3)

Verfaffung. Art. 4, Ziff. 18. Delbrück. Hirsch. 255 
einsgesetzzebung in das Auge zu fassen, welche eine rückschrittliche Bewegung 
bezeichnete. — wenn sie das wirklich wollten, so würde ja auch durch einen 
Zufatz zu der Verfassung einer solchen Bewegung in der That nichts ent- 
gegengestellt, wenn eben die überwiegende Mehrheit der Regierungen so ge- 
sonnen wäre. Für den Reichstag liegt aber die Frage der Verfassungsver- 
inderung nicht anders, wie die Frage der Gesetzgebung: die einfache Majo- 
rität entscheidet. Es wird also vom Standpunkte des Her#n Vorredners 
aus auch immer darauf ankommen, ob in der Unterstellung, von der er 
überbaupt ausgeht: daß rückschrittliche Tendenzen bei den Regierungen ob- 
walteten, — ob der nächste Reichstag in seiner Mehrheit solchen Tendenzen 
beitreten wird oder nicht. Der nächste Reichstag ist noch nicht gewählt; 
wenn ich mir indessen von den Strömnngen, die in Deutschland herrschen, 
ein richtiges Bild mache, so möchte ich dem nächsten Reichstage vom Stand- 
Funkte des Herrn Vorredners aus mit mehr Vertrauen entgegen sehen als 
er selbst. Ist das aber der Fall, so scheint mir der Satz, den er vorschlägt, 
in der That keine andere Bedeutung zu haben als eine theoretische, und ich 
kann aus diesem Grunde Sie nur wiederholt bitten, ihn abzulehnen. (Bravol) 
Dr. Hirsch in Berlin (Plauen-Fausa rc.)7): Meine Herren, auch ich 
bin sehr bedenklich gewesen schon bei dem Lesen dieses Zusatzes in den Vor- 
schlägen zur Verfassung, insofern es die einzige Kompetenzerweiterung ist, die 
sich darin befindet. Meine Bedenklichkeit ist aber bedeutend erhöht worden 
durch die Auseinandersetzung, mit denen der Herr BVundeskanzleramts-Präsi- 
dem heute vor uns getreten ist, indem er sagte: es sind nur diejenigen Ver- 
inderungen in die Verfassung aufgenommen worden, die absolut nothwendig 
waren zum Eintritt der süddeutschen Staaten. Meine Herren, da nmn un- 
#r den angenommenen Abänderungen sich auch die Kompctenzerweiterung 
in Bezug auf das Vereinsrecht und das Preßwesen befindet, so liegt die 
Annahme nahme, ja sie ist nothwendig, daß die süddeutschen Regierungen 
zum Behufe des Eintritts in den Norddeutschen Bund diese Anforderungen 
gestellt baben. (Hört, hört! links.) Nun aber, meine Herren, sind gerade 
in Sürdeutschland die Preß= und Vereinsgesetze weit freisinniger und weit 
mebr auf dem wirklichen Rechtsboden, aber nicht auf dem Polizeiboden be- 
findlich, als bei uns in Norddeutschland, und es scheint also, als ob die süd- 
dautschen Regierungen außer dem Kaufpreise des Partikularismus noch die- 
sen Kaufpreis der Reaktion für sich verlangt haben, um in den Bund ein- 
zutreten. (Lebhafter Beifall links, Widerspruch rechts.) Wenn also jetzt der 
H##r Bundeskanzleramts-Präsident meint, er begriffe nicht recht, wie der Ab- 
gerrdnete Duncker und Andere sich von einem gewissen Argwohne gegen die 
Temdenzen der Regierungen beseelt zeigten, so begreife ich es wieder nicht, 
wie er das nicht begreift. In keinem Augenblicke scheint mir, hat der Arg- 
.— 
— ÒÛe 
St. B. S. 117 r. g. u.
	        
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