260 Vertrag mit Baden und Hessen.
in welchem Jeder Zusagendes zu erreichen strebt, — die Regierungen in der
Hoffnung, daß sie in ihren Staaten strenger würden mit der Presse und mit
den Vereinen umgehen können, ich in der sicheren Ueberzeugung, daß die
Gesetzgebung des Bundes offenbar eine viel freiheitlichere Richtung dem
Preß= und Vereinswesen über ganz Deutschland geben wird; und ich
wünschte, daß die Regierungen in der Revision dieser Verfassung mehrere
solche Irrthümer gemacht hätten, ich würde sie alle dankbar acceptirt haben.
(Heiterkeit.) Ich werde für die (erweiterung der Kompetenz stimmen und
begrüße sie im höchsten Grade, nicht allein aus freiheitlichem Interesse, son-
dern so oft Sie über eine Erweiterung der Bundeskompetenz berathen wer-
den für solche Dinge, die staatlicher Natur sind, bin ich dafür, geleitet von
dem Streben, daß alle staatlichen Angelegenheiten, soweit nicht das land-
wirthschaftliche Interesse vonwiegt, nach und nach in den Bund bineinge-
tragen werden. Die Ausdehnung der Bundeskompctenz auf das Vereins-
und Preßwesen erkenne ich als eine der wesentlichsten Verbesserungen der ge-
genwärtigen Verfassung an. Dieser Zusatz Nr. 16 ist für mich ein Gewinn,
den ich gern gegen manches Andere zur Kompensation bringe. Die Furcht,
daß in Zukunft das rothe Gespenst uns wird vorgeführt und wir in Folgze
dessen reaktionäre Gesetze erlassen werden — wenn die Volksvertreter bis
zu diesem Grade des kindischen Wesens heruntergesunken sind, dann werden
wir gute Gesetze weder hier noch anderswo erhalten, und auch nicht ver-
dienen. Die guten Gesetze entspringen nicht aus dem zufälligen Würfelspiel
der Wahlen, sondern sie entspringen aus der inneren Natur des Volkes, aus
seiner Mannhaftigkeit, und werden gereift durch die öffentliche Meinung,
welche im Volke sich einlebt. Für das Vereins= und Preßwesen ist die äf-
fentliche Meinung Deutschlands schon so vortrefflich durchgebildet, daß ich selbst
auf der andern Seite des Hauses (rechts) große Reaktion nicht weiter befürchte.
Die Mitglieder dieses Hauses, welche sich zur Sozialdemokratie bekennen, werden
mir niemals ein Schreckbild sein, sondern ich halte es für einen Vorzug des
allgemeinen Wahlrechts, daß — wenn auch zuweilen in etwas entstellter Form
— die Mahnungen des Arbeiterstandes und Derjenigen, welche an anderen Or-
ten nicht speciell vertreten sind, in dieser Versammlung gehört werden. Aus
solchen Gründen wird Niemand sich zu reaktionären Maßregeln verleiten
lassen. Ich also werde unbedingt für die Kompetenzerweiterung stimmen, es
mag der Antrag des Herrn Abgeordneten Duncker angenommen werden, oder
nicht. Dagegen muß ich anerkennen, daß der Antrag sich ganz sachgemaß
innerhalb der Grenzen des Geschäfts bewegt, welches wir zu vollziehen haben.
Wir sollen das Preß= und Vereinswesen in die Verfassung aufnehmen:
Herr Duncker will dies thun unter gewissen Garantieen als verfassungsmäßigen
Bedingungen. Ich veranschlage die verlangten Garantieen durchaus nicht
gering. Der Herr Präsident des Bundeskanzler-Amts meinte, wenn die Re-
gierungen einmal einig sein würden, schlechte Vereins= und Preßgesctze zu
geben, so könnten sie ja leicht, ob die vorgeschlagene Verfassungsbestimmung