Protołtoll. Ziff. s. Hoverbeck. Midguel. 303
denlen aber ist viel tiefer gehender Natur. Ich bin der Ueberzeugung, daß,
nachdem die Zweidrittelmajorität bei Verfassungsänderungen hier im Hause
abgelehnt worden ist, wir also hingedrängt sind entweder auf die Dreiviertel-
majcrität, die in einem Amendement vorbehalten ist, oder gar auf die Mög-
lichkeit des Widerspruchs von 14 Stimmen, wie sie im baierischen Vertrage
stehen, ein weiterer Schutz für die Rechte der Einzelstaaten überhaupt nicht
nothwendig ist, insofern nicht vorausgesetzt werden kann, daß sowohl der
Reichstag wie der Bundesrath in großer Mehrheit sich verbinden würden,
um die Rechte der Einzelstaaten zu unterdrücken. Man braucht also keine
Vorsichtsmaßregeln dagegen. Andererseits liegt die Gefahr außerordentlich nahe,
daß aus solcher Fassung dieser Bestimmung, ohne Aufzählung der Fälle, in
welchen Rechte für die einzelnen Staaten vorbehalten werden, die größten
Konflikte in den Schooß des Reichstages und Bundesraths selber geworfen
werden, und genau genommen eine wirkliche Durchführung der Verfassung
zu einer gedeihlichen Entwickelung nicht anders als auf einem in der Ver-
fassung nicht vorgesehenen, also auf revolutionärem Wege möglich ist. Um
Aso diesen Weg auszuschließen, beantrage ich, so lange mir nicht eine be-
stimmte Erklärung gegeben wird, auf welche wenige einzelne Punkte diese
Bestimmungen sich beschränken, den ganzen Passus zu streichen.
Miquel’'): Meine Herren, der Herr Abgeordnete von Hoverbeck be-
lämft die Konsequenzen, während er die Vordersätze, aus denen die Kon-
seguenzen folgen, nicht bekämpft. Wenn man jora singulorum einmal zu-
giebt, so muß man sich auch sagen, man hat begriffsmäßig zugegeben, daß
nicht ohne Zustimmung der Inhaber der jura singulorum darüber verfügt
werden kann. Der bloße Besitz eines Rechtes macht dasselbe nicht zu einem
jus singulorum, sondern die ausschließliche Disposition über das Recht.
Haben wir in der Verfassung bedauerlicher Wesse solche jura singulorum,
se können wir dieselben nicht durch die Hinterthür wieder hinaus werfen
dadurch, daß wir einer Mehrheit die Dieposition darüber geben. Es ist
llar, wenn der Mantel fällt, muß wohl der Herzog nach.
v. Hoverbeck'’): Ich kann diese Folgerung nicht zugeben. Ich kann
allerdings anerkennen, daß, wenn jura singulorum und Privilegien in diesem
Fall identisch wären, worüber sich streiten läßt, solche Argumente möglich
wären; ich kann aber hoffen, daß die Staaten, die in separatistischem Inter-
esse hier jura singulorum stipuliren wollen, sich soweit in das künftige
Staatsleben einleben wollen, daß sie sagen: wir verlangen bei solcher Fixirung
die Sicherheit, die uns die Erschwerung der Verfassungsänderungen immer
gewährt. Die Staaten haben in diesem Falle durch die Stellung, die sie