524 Würtemberg. Kammer der Abgeordneten.
Vorredner hat auch die Freiheiten ins Feld geführt, welche sich mehr als
äußerliche Freiheiten darstellen: die Preßfreiheit und das Vereinswesen.
Seine Darstellung ist auch hier nicht richtig. Die Partei, welcher der
Herr Vorredner angehört, hat in dieser Beziehung seit vielen Jahren
Klagen gegen die würtembergische Regierung geltend gemacht. Erst seit
einigen Jahren ist sie bei uns zufrieden. Das ist gerade ein Fehler, daß
die Gesetzgebungen in den kleineren Staaten großem Wechsel unterworfen
sind. Vergleichen Sie die Preßfreiheit, wie sie jetzt in Norddeutschland
ausgeübt wird, lesen Sie gewisse in Preußen erscheinende Blätter rezel-
mäßig und Sie müssen sagen: es könnte bei uns keine größere Preßfreibeit
geben. Beschlagnahmen, wie sie erst in jüngster Zeit bei uns vorgekom-
men sind, z. B. des Becbachters wegen eines Artikels über Professer
Bruns, wären in Preußen nicht vorgekommen. Wir dürfen mit gräßtem
Vertrauen dem Norddeutschen Reichstag diese Gesetzgebung anvertrauen,
denn es ist unmöglich, daß aus dieser Käörperschaft ein inhumanes Gesetz
hervorgehen könnte, und durch den Beitritt der süddeutschen Abgeordneten
wird am bisherigen Verhältniß nichts verschlechtert werden. Der Herr
Vorredner hat das Militärwesen einer ins Einzelne gehenden Kritik unter-
worfen und zu zeigen gesucht, wie nicht nur größere Opfer und Lasten
entstehen, sondern auch der Freiheit unseres Staatswesens Gefahren
bereitet werden. Es ist richtig, daß über das Militärwesen andere Ansich-
ten als jetzt noch vor einem halben Jahre, Dank einer umfassenden Agi-
tation sich der Majorität in unserem Lande erfreut haben. Aber jene te-
kannte Agitation, gegen das Kriegsdienstgesetz war es vor Allem, welche
die leitenden Kreise unseres Staatswesens und die im besten Sinn kenser-
vativen Kreise überzeugte, daß auf diese Art nicht länger in einem Staats-
wesen gelebt werden könne. Das Volk aber in seinem gesunden Sinne
hat erkannt und spricht es aus, wie es sich mit jener Agitation im In-
thum befunden hatte. Es ist der nationale Krieg, der diese Umstimmung
hervorgebracht hat; es sind die furchtbaren Zustände, die uns drehten,
welche dem Volk die Augen geöffnet haben. In allen Kreisen des Volkes
kann man hören, daß es besser sei, höhere Militärlast auf sich zu nehmen,
statt daß wir schwach dem Feinde gegenüberstehen und die hundertfach
vergrößerten Leiden im Falle der Niederlage uns auferlegt würden. Das
Volk hat sich früher allerdings gegen den Zwang, das strenge Wesen der
Freußischen Militäreinrichtungen gesträubt, weil es die Wirkung derselben
nicht kannte; aber in diesem Kriege hat es einsehen gelernt, was ein Voll
leisten muß, um einem so frechen Ueberfalle gegenüber, wie er von Seite
Frankreichs gegen uns ausgeführt wurde, gewaffnet zu sein. Das Voll
hat eingesehen, daß wenn man die preußischen Einrichtungen wenigstens
im Norddeutschen Bunde nicht gehabt hätte, dieser Krieg unmöglich einem
glücklichen Ende entgegengehen könnte. Ich will nur an zwei Punkte
erinnern. Es ist nicht allein die unangezweifelte Tapferkeit, in welcher die