560 Würtemberg. Kammer der Abgeordneten.
Deutschen jenen frerelhaftesten aller Angriffe auf deutschen Boden abzu-
wehren; es hätte die heilige Verpflichtung, die es mit den Allianzverträgen
übernommen hat, gebrochen, des Verraths an Deutschland sich schuldig ge-
macht, und es hätte sicher die wohlverdiente Strafe, die darauf gesetzt ist,
erlitten, es hätte sie um so gewisser erlitten, als der mächtige Bundesgenosse,
den man treulos zu verlassen uns zumuthete, gesiegt hat. Würtemberg hätte
aufgchört zu existiren. Meine Herren! So unheilvoll es gewesen wäre, wenn
damals unsere Gegner die Mehrheit erlangt hätten, wenn ihre Politik durch-
gedrungen wäre, so unheilvoll wäre es, wenn das, wae sie jetzt wollen,
durchdränge. Meine Herren! Was vermögen sie uns zu bieten? Nichts,
gar Nichts. Sie wagen selbst nicht einmal zu behaupten, daß die Reichs-
verfassung, die sie wollen, durch das Fernbleiben Würtembergs von dem
deutschen Einigungswerk zu erreichen wäre. Kein Mensch glaubt, daß der
Konig von Prcußen, daß der Norddeutsche Reichstag, daß Baden sich die
Gesetze des nationalen Daseins von den süddeutschen Ultramontanen und
Radikalen diktiren lassen, am wenigsten jetzt nach den unerhörten Siegen,
die unter Preußens Führung erfochten worden sind. Meine Herren! Was
ist es, das unsere Gegner uns vorschlagen? Die vollständige Isolirung Wür-
tembergs. Denn wie schon mehrfach erwähnt, Hessen und Baden sind schon
beigetreten, sind schon Mitglieder des Deutschen Reichs. Isolirung ist es,
welches die Gegner wollen; und was, frage ich, was wäre die Folge der
vollständigen Isolirung Würtembergs? Würtemberg wäre äußerlich scheinbar
ein vollkommen souveräner Staat wie die erste Großmacht, in Wirklichkeit
wäre es aber absolut abhängig und unselbstständig; in allen der Deutschen
Nation gemeinsamen Angelegenheiten müßte cs, ohne daß die Regierung
oder die Volksvertretung mitwirkten, annehmen, was das Deutsche Reich
beschließt. Ich brauche nur an bekannte Vorgänge zu erinnern. Noch als
der Norddeutsche Bund für sich allein bestand, als in Würtemberg das Wi-
derstreben gegen den Eintritt in denselben sehr groß war, mußten wir eine
Reihe von Gesetzen, die der Nordbund beschlossen hatte, einfach annehmen.
Denken Sie an die Einführung des metrischen Systems, an das Gesetz über
die wirthschaftlichen Genossenschaften, an die literarische Konvention mit der
Schweiz; denken Sie daran, daß in den Motiven zu letzterer offen ausge-
sprochen wurde, die würtembergische Nachdrucksgesetzgebung bedürfe einer
vollständigen Revision, aber man müsse warten, bis der Nordbund sein Nach-
druckegesetz fertig gebracht habe. Dann, meine Herren, über Krieg und
Frieden hätten wir in allen Fällen, in welchen der Allianzvertrag uns ver-
pflichtet, in keiner Weise mitzureden; gerade so, wie es ein Bruch des
Allianzrertrags wäre, wenn die Regierung da, wo die Integrität Preußens
bedroht ist, sich weigern wollte, die Truppen unter den Befehl Preußens zu
stellen, wäre es, wenn die Kammer die Mittel zum Kriege verweigern
wollte, ein Bruch des Allianzvertrags. Beinahe in jedem Kriege wird die
Integrität Preußens bedroht sein. Daraus folgt, daß wir beinahe in jedem