Mittnacht. Linden. 585
fangen beurtheilt, woferne man den Blick nicht auf Gewöhntes und vielfach
mehr Aeußcrliches sondern auf die Zukunft richtet, das wohlverstandene In-
teresse der Dynastie sogar eine Betheiligung derselben bei der Initiative zu
Gründung eines Deutschen Reiches gefordert hat. Die Räthe der Krone
glauben, daß das Deutsche Volk den Deutschen Fürsten ihr Vorangehen
nicht blos als einen Akt der Selbstverläugnung, der Resignation, sondern
als einen Akt politischer Weisheit verdankt und wir vertrauen fest
darauf, daß das Interesse der deutschen Fürsten und das Interesse der wür-
tembergischen Dynastie insbesondere durch die Annahme der Verträge keine
Schäkigung sondern eine Stärkung erhalten wird. Se. Ercellenz der Herr
Staatsminister Freiherr v. Neurath hat erentuell den Antrag gestellt, daß
wenigstens insolange die Zustimmung zu den vorgelegten Verträgen nickt er-
theilt werden möge, bis ihre Annahme auch in Baiern definitiv gesichert
sei. Ich muß mir erlauben hiezu nur ein paar Worte zu sagen. Wenn
nach dem Gange der Unterhandlung und nach dem Inhalte des baierischen
Vertrages Würtemberg auch ferner seine Entschließung binden wollte an die
Beschlüsse der Majorität der baierischen Abgeordneten-Kammer, so fürchte
ich, es möchte — um einen im Kommissionsbericht gebrauchten Ausdruck in
ganz objektiver Weise zu wiederhelen — Würtemberg ein Gegenstand des
Eeffentlichen Spottes werden, ganz abgesehen davon, daß wir Gefahr liefen
Bedingungen zu verlieren, die man uns jetzt zugestanden hat, die uns aber
nicht für alle Zukunft zugesichert bleiben möchten.)
Bei der Abstimmung’') wurden Beschluß l., II. und III. der Ab-
geerdnetenkammer mit 26 gegen 3 Stimmen angenommen.
Frhr. v. Linden als Referent"“““): Der Beschluß der Kammer der Ab-
geordneten unter Ziffer IV. geht dahin: „Die Kammer wolle der K. Staats-
regierung gegenüber die rechtliche Ueberzengung und Vorauosetzung aussprechen,
daß das Ministerium für die den Vertretern Würtembergs im Bundesrath
zu ertheilenden Instruktionen, beziehungsweise für deren amtliche Thätigkeit,
in Gemäßheit der §§ 51 und 52 der Verfassung und der damit im Zu-
sammenhang stehenden weiteren Bestimmungen verantwortlich ist". In
Ihrer Kommission wurden rerschiedene Ansichten hierüber laut, die jedoch in
der größeren Mehrheit sich dahin konsolidirten, daß man gegen diesen Be-
schluß in seiner Allgemeinheit und im Prinzip nichts zu erinnern finde, da-
gegen wurde bemerlt, daß dieser Gegenstand, der wohl von besonderer Trag-
weite sei, doch nicht diejenige Entwickelung und Klarstellung gefunden habe,
*) Kolgen Reden von v. Kuhn S. 12 l. g. o., Frhr. v. Linden S. 32 r. m., Frhr.
v. Neurath S. 33 l. m.
%) S. 35 l. g. o.
SS. 36 r. u.