622 Baiern. Kammer der Abgeordneten.
nach dem Budget zu richten, und wenn ein Budget nicht zu Stande kommt,
so ist auch hier wieder ein Zustand der Gesetzlosigkeit. Mit andern Worten,
da in einem repräsentativen Staatswesen ein solcher Zustand nicht bestehen
kann und darf, hat das Bundespräsidium die Nothwendigkeit vor fich, sich
auch über das Etatzgesetz rechtzeitig mit dem Reichstage zu vereinbaren, und
der Reichstag hat auch hier wieder die volle Möglichkeit, eine Abminderung
des Etats herbeizuführen. Auch hier bitte ich Sie, um sich von der Rich-
tigkeit meiner Interpretation zu überzeugen, dic ursprüngliche Fassung des
betreffenden Artikels mit der jetzigen zu vergleichen. Die ursprüngliche Fassung
im Entwurfe lautete: „Zur Bestreimug des Aufwandes für das gesammte
Bundesheer und die zu demselben gehörigen Einrichtungen sind dem Bundes-
feldherrn jährlich sovielmal 225 Thaler, als die Kopfzahl der Friedensstärke
des Heeres nach Art. 56 beträgt, zur Verfügung zu stellen“. Meine Herren!
Hierin ist nichts vom 31. Dezember 1871 enthalten, hier ist nichts enthal-
ten von der Feststellung der Verausgabung durch die Etats; hier ist ganz
kategorisch und für alle Zeiten gesagt: „Für jeden Kopf sind 225 Thaler zu
bezahlen und diese stehen dem Bundespräsidium zur Verfügung“. Glauben
Sie denn, meine Herren, die Aenderung, der wir im Art. 6= der Verfassung
diesem Entwurfe gegenüber begegnen, sei eine zufällige, eine nichts bedeutenbe?
O nein! Lesen Sie doch die weitläufigen Verhandlungen, die gerade über
diesen Artikel in dem constituirenden Reichstage gepflogen worden sind, und
Sie werden sehen, daß der Art. 62, wie er am Schlusse angenommen wurde,
gegenüber diesen Art. 58 des Entwurfs, der allerdings auch hier den eisernen
Militär-Etat enthielt, wesentlich abgeschwächt ist, und daß durch die jetzige
Fassung dem Reichstage Rechte, wesentliche und bedeutende Rechte gegeben
werden wollten und wirklich gegeben worden sind. Wenn der Herr Referent
meint, es stehe nichts davon in dem Art. 62 wie er jetzt lautet, daß die
einzuzahleuden Beträge nicht verausgabt werden dürften, so muß ich doch
bitten, den Artikel noch einmal anzusehen. Es liegt ja ganz deutlich in den
Worten: „Die Verausgabung dieser Summe für das gesammte Bundesheer
und dessen Einrichtungen wird durch das Etategesetz festgestellt". Was konnte
denn namentlich gegenüber dem ursprünglichen Eutwurfe mit diesem Satze
anders gesagt werden wollen, als daß eben die Verausgabung nur erfolgen
dürfe nach Maßgabe der Etatzgesetze, daß also das Bundespräsidium an
diese Etatsgesetze gebunden sei und daß die Verausgabung ohne dieselben
oder gegen dieselben ein Gesetzesbruch sei? Ich glaube nun das Nöthige vor—
gebracht zu haben, um endlich das Schreckgespenst der eisernen Militärlast
aus den Köôpfen zu vertreiben. Ich mutz übrigens leider bekennen, es scheint
diese Furcht nicht blos innerhalb der Mauern dieses Saales zu besteben, ich
muß sogar dem Herrn Referenten einräumen, daß der Herr Refereut
des anderen Hauses in einem ähnlichen Irrthume befangen gewesen zu sein
scheint, allein ich kam demungeachtet nicht zugeben, daß die Ansicht der
beiden Herren begründet ist. Die Interpretation, wie sie das Minoritäts=