Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band III (3)

1871. M. Barth. 627 
zmächst, daß ich so abschätzig über das Zollparlament als ein verbrauchtes 
Mittel zum Zwecke gesprochen habe, und meint ferner, daß der Zollverein 
lunge Jahre hbindurch auch ohne Zollparlament ein segensreiches Bestehen 
gehabt habe. Meine Herren! Daß das Zollparlament nur eine vorüber- 
gebende Maßregel sein sollte, daß ein Parlament, das über nichts Anderes 
als Zollsachen zu sprechen hat und nur alle Jahre einmal auf 8 oder 14 Tage 
msammenkommt, keine gesunde politische Einrichtung sei, darüber sind wir 
ja dech wohl von vornherein Alle einig gewesen. Das Mittel ist verbraucht, 
sagt der Herr Referent. Ja, ich gebe zu, es ist verbraucht und eben darum 
kann weiter davon nicht mehr die Rede sein. Ohne das Zollparlament hat 
der Zollucrein lange Jahre bestanden, aber so lange er bestand, war eben der 
zellrerein etwas ganz Anderes als er seit dem Jahre 1867 gewesen ist. Er 
iit bis zum Jahre 1867 ohne alle Organisation gewesen; es war ein reines 
Vertragsverhältniß, in welchem ein liberum veto omnium contra omnes 
ketand. Jeder einzelne Staat konnte widersprechen, und dann konnte eine 
Larifs-Veränderung nicht vorgenommen werden, wenn sie auch von einer noch 
so großen Majorität der übrigen Staaten beantragt worden war. Darum 
mußte jedeomal mit allen Veränderungen 12 Jahre gewartet werden bis 
mzm Ablaufe einer Zollvereinsperiode und dann trat eine große Krisis, eine 
große Agitation, ein großer Kampf ein über die Aenderungen im Tarife, die 
mit der Verlängerung des Zollvereins verbunden werden sollten. Meine 
Herren! Das hat man schon im Jahre 1867 unerträglich gefunden und hat 
keshalb lieber das Expediens des Jollparlaments gewählt, als daß man sich 
langer in der freien Entwicklung des Tarifes hätte aufhalten lassen. Nun, 
meine Herren, wenn Sie heute den Zollverein ohne Zollparlament und ohne 
doß wir im Reiche find, fortbestehen lassen wollen, was wäre das für ein 
Verhältniß? Wir hätten dann zwei Faktoren im Zollvereine, das Reich auf 
der einen und Baiern auf der andern Seite; 35 Millionen auf der einen 
und 5 Millionen auf der andern und die 5 Millionen hätten die nämlichen 
Rechte wie die 35 Millionen. Das wäre ein Verhältniß, wie es vor 1867 
gewesen ist und wie es auch ohne Organisation gar nicht anders sein könnte, 
wenn der eine Theil nicht vollständig rechtlos gestellt sein sollte. Aber ich 
denke, Sie werden es dem Reiche nicht verübeln, weun es sich dafür be- 
kank, daß darüber, ob von den 35 Millionen eine Tarif-Aenderung vorge- 
nemmen werden dürfe oder nicht, die 5 Millionen Baiern entscheiden sollen. 
Man muß doch, wenn man eine Einrichtung verlangt, auch überlegen, ob sie 
unter den gegenwärtigen Verhöältnissen noch möglich sei, gesetzt daß sie auch 
früber unter ganz anderen Verhältnissen möglich gewesen ist. Der Herr 
Referent meint ferner, wir hätten nicht zu besorgen, daß Preußen uns den 
zellrertrag künden werde, weil ja der gesammnte südliche Verkehr auch für 
Preußen selbst täglich größere Wichtigkeit bekomme. Ich zweifle gar nicht 
an dieser Thatsache, meine Herren, aber ich weiß auch, daß man im Norden 
sähe ist. Wenn man eine noch so werthvolle wirthschaftliche Verbinduug 
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