Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band III (3)

686 Baiern. Kammer der Abgeordneten. 
das Strafrecht, Civilprozeß, Obligationenrecht und dergleichen gemacht und 
zur Annahme zugeschickt wird, ist da Etwas beeinträchtigt in der bureaukra- 
tischen Selbstständigkeit? Die bleibt; aber das Recht der Minister und der 
Krone, die Gesetze dem Landtage selbst vorzulegen und nach Prüfung des 
Landtagsbeschlusses zu entscheiden, ob sie angenommen werden dürfen oder 
nicht, das Recht ist preisgegeben. Nicht die bureaukratische Selbstständigkeit 
sondern die staatliche Selbstständigkeit ist durch diese Verträge hingerpfert. 
Aber was wird dann die Folge sein, wenn wir auf die Verträge wirklich 
eingiengen und wenn wir die so gelagerte Verfassung annähmen — was wird 
die Folge sein! Meine Herren, Sie haben geschen aus dem, was ich eben 
dargestellt habe, daß die Folge lsein würde, die Preisgebung der wichtigsten 
Rechte unserer baierischen Krone, der baierischen Selbstständigkeit, und was 
noch übrig bleibt, das ist in der Gefahr, in einem oder in zwei Jahren 
ebenfalls weg zu sein. Und wenn Sie das aus meinem Munde nicht glauben, 
so glauben Sie es aus einem andern Munde. Ich will nicht von Windt- 
horst sprechen, der ausdrücklich die Zerreibungökraft der Norddeutschen Maschine 
den Einzelnstaaten gegenüber betont hat; aber Delbrück muß doch wissen, 
was die Sache für eine Bedeutunng hat. In der 6. Sitzung sagt er: „Man 
ging davon aus, daß es wichtiger sei, sich jetzt auf das zu beschränken, was 
unmittelbar durch den Beitritt der Süddeutschen Staaten geboten sei, und 
den weiteren, inneren Verfassungsbau dem Zusammenwirken des künftigen 
Deutschen Bundesrathes und dem künftigen Deutschen Reichstage zu über- 
lassen.“ Und betreffend den Oberbefehl unseres Königs im Frieden sagt 
er, es sei das eine Abweichung, die durch die im übrigen dem Bundesfeld- 
herrn zustehenden Rechte ihre Begränzung und ihr Korrektiv finde. In 
der 11. Sitzung sagt er dann: „Meine Herren, die verbündeten Regierungen 
haben sich keineswegs verhehlt, daß es bei diesen Aenderungen der Verfassung 
nicht sein Bewenden haben kann; sie gingen aber davon aus, daß es für 
jetzt genüge, an den beiden entscheidenden Stellen der Verfassung das auszu- 
sprechen, worüber sie sich vereinigt haben und daß es vorbehalten bleiben 
müsse für den nächsten ordentlichen Reichstag, die weiteren sich diesen beiden 
anschließenden Aenderungen im Texte herzustellen.“ Sie sehen, meine Herren, 
der Norddeutsche Reichstag und der Norddeutsche Bund zusammen sind nicht 
blos in der Lage, sondern sie haben auch die Absicht, das gehörige Korrektiv 
demnächst eintreten zu lassen, d. h. jene Rechte, welche noch Baiern gelassen 
worden sind, die aber nach meinem Dafürhalten sehr gering anzuschlagen 
sind, auch jene Rechte noch einzuziehen und so ein allgemeines Ganze zu 
machen. Ich bin, meine Herren, auch aus andern Gründen zu dieser An- 
schauung berechtigt. Sie wissen ja so gut, wie ich, daß unsere Zeit eine 
Erscheinung an sich trägt, die ich als eine Hauptkrankheit betrachte — viel- 
leicht Sie nicht. Diese Hauptkrankheit geht dahin, Alles zuerst zu pulveri- 
siren, dann in einem Topfe zusammen zu stoßen und endlich von einem 
Centralpunkte aus dieses pulverisirte Wesen nach Belieben zu verarbeiten.
	        
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