Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Erster Band. (1)

1. H. Brunner, Quellen und Geschichte des deutschen Rechts. 123 
reorganisiert. In der Schweiz vermittelte die Reichslandvogtei den Übergang von den An- 
fängen der Landeshoheit zur vollen Unabhängigkeit. In den Gemeinden Uri, Schwyz und 
Unterwalden besaßen die Habsburger erbvogteiliche, gräfliche und grundherrliche Rechte. Der 
Versuch, sie zu voller Landeshoheit umzugestalten, gab den Anlaß zur Bildung der Eidgenossen- 
schaft. Die nachmaligen Urkantone erlangten von Heinrich VII. die Anerkennung ihrer Un- 
mittelbarkeit und die Ausschließung jeder Gerichtsbarkeit mit Ausnahme der des Reichshof- 
gerichtes und des Reichslandvogtes. Auch von der letzteren wurden sie befreit, indem Wenzel 
1389 den Urnern das Recht gab, einen Richter zu wählen, der mit Königsbann zu richten befugt 
sei, und indem Sigismund 1415 Schwyz und Unterwalden mit dem Blutbann belehnte. Im 
Kampf mit den Habsburgern wußte die Eidgenossenschaft ihre Reichsunmittelbarkeit zu be- 
haupten und ihr Gebiet zu erweitern und abzurunden. Ende des 15. Jahrhunderts machte 
die Schweiz gegen Kaiser und Reich die Freiheit von Reichssteuern und Reichsgerichten geltend. 
Indem sie ihre Ansprüche im sogenannten Schwabenkriege 1499 durchsetzte, löste sie tatsächlich 
jede Verbindung mit dem Deutschen Reiche auf. 
Eigenartige Verhältnisse weisen vorübergehend die friesischen Landschaften zwischen Fli 
und Weser auf, ohne sich dadurch in grundsätzlichen Gegensatz zur allgemeinen Verfassungs- 
entwicklung Deutschlands zu stellen. Die Landeshoheit ist hier erst verhältnismäßig spät zur 
Ausbildung gelangt, während die königliche Gewalt weniger als anderwärts durchgriff. Da 
ein Herzogtum fehlte, die Grafschaften meist an auswärtige Herrengeschlechter und Bistümer 
verliehen waren und die Grafen regelmäßig außerhalb des Landes wohnten, gelangten die 
friesischen Landschaften zu einer weitgehenden Selbständigkeit. Zum Schutze des Landes- 
friedens und zur Abwehr äußerer Feinde schlossen sie einen Landfriedensbund, von dem schon 
oben § 29 bei Erörterung der friesischen Rechtsquellen die Rede war. Mit Unrecht hat man 
aus den Vereinigungen der friesischen Gaue den Schluß gezogen, daß sie von alters her einen 
Freistaat gebildet hätten, der die republikanische Verfassung der Urzeit im wesentlichen bewahrt 
habe, eine Auffassung, die in politischer Tendenz nach der heldenmütigen Befreiung der Nieder- 
lande vom spanischen Joche in Umlauf gesetzt worden war. 
#s41. Die Städte. Als besondere Verwaltungsbezirke und als politische Körperschaften 
treten in nachfränkischer Zeit die Städte aus dem allgemeinen Rahmen des Reichs- und Landes- 
staatsrechtes heraus. Die Entwicklung der deutschen Städteverfassung, seit langem Gegen- 
stand einer lebhaften wissenschaftlichen Kontroverse, schließt sich nicht, wie manche annehmen, 
an die untergegangene römische Städteverfassung an, sondern hat in germanischen Einrich- 
tungen ihre Keime getrieben. Im fränkischen Reiche waren die Städte ohne administrative 
Sonderstellung in die Gau= und Hundertschaftsverfassung einbezogen, so daß ein öffentlich- 
rechtlicher Unterschied zwischen Stadt und Land nicht obwaltete. Als der Begriff der Stadt 
im Rechtssinn sich ausgebildet hatte, gehörten zu ihren Merkmalen das Marktrecht, das Stadt- 
gericht, das Recht der Befestigung und das Dasein einer Stadtgemeinde. Den Ausgangspunkt 
bildete für die Entstehung der Städte das Marktrecht, dessen Verleihung dem Könige zustand. 
Mit dem Markte verband sich ein besonderer Friede, regelmäßig Marktzoll und Münze und die 
Befugnis, in Marktsachen bei Königsbann zu richten. Die römischen Städte, die auf deutscher 
Erde die Stürme der Völkerwanderung überdauert hatten, besaßen das Marktrecht meist von 
alters her. Andere Orte sind im Anschluß an Pfalzen und Burgen auf Grund des Marktverkehrs 
allmählich zu Städten erwachsen. Dagegen sind zahlreiche Städte durch Gründung von Markt- 
orten in der Weise entstanden, daß diese an eine ältere mit Immunität ausgestattete Nieder- 
lassung angeschlossen und mit freien Kaufleuten und Handwerkern besiedelt wurden, die ihre 
Hausstätten gegen Zins oder wohl auch als zinsfreies Eigen erhielten und, im Gegensatz zu 
einer alten grundherrlichen Gemeinde, zunächst eine gesonderte handelsgewerbliche Gemeinde 
bildeten. 
Jede Stadt hat einen Stadtherrn. Er ist Marktherr, ihm gebühren Zoll und Münze. 
Im ganzen Stadtgebiete oder in einem Teile davon ist er Grundherr und Gerichtsherr, sei es nun 
zu eigenem, sei es zu abgeleitetem Rechte. Je nachdem der König selbst oder ein geistlicher 
oder weltlicher Großer Stadtherr ist, unterscheidet man königliche Städte, wie Frankturt a. M. 
und Nürnberg, bischöfliche wie Köln und Magdeburg, bzw. Abteistädte und landesherrliche
	        
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