Full text: Preußisches Staatsrecht.

$ 6. Die drei Gewalten der preußischen Verfassung. 121 
de magistrature. Die Rousseausche Auffassung von dem 
Wesen des Gesetzes kam auch zum Ausdruck im Art. 3 
Declaration des droits de l’'homme et du citoyen (franz. 
Const. 3. September 1791), woselbst auf Grund der Charakte- 
risierung von loi als l’expression de la volont& generale 
nicht bloß die persönliche oder durch Repräsentanten ver- 
mittelte Beteiligung aller Bürger bei der Bildung des 
Gesetzes gefordert ward, sondern auch inhaltlich l’uni- 
versalit& de l’objet: Elle doit („muß“, nicht „soll“) ötre la 
möme pour tous, soit quelle rotege, soit qu’elle punisse. 
Diese Anordnungen individueller Natur aus der potestas 
legislatoria schlechthin ausscheidende Ansicht begann 
während des 19. Jahrhunderts sich auch in der deutschen 
Publizistik Anhänger zu gewinnen. So erklärte Rotteck 
das Gesetz „für die von der Staatsgewalt ausgehende 
Verfügung, welche in Ansehung ihres Gegenstandes eine 
allgemeine sei, d. h. nach Begriffen (oder in abstracto) 
gemacht worden und dergestalt als Regel für die unter 
solchen Begriffen enthaltenen, bestimmten oder concreten 
Fälle diene; dagegen sei ein Akt der Vollziehung — 
oder eigentlicher der Regierung oder Administration im 
engeren Sinne — die für jeden einzelnen, bestimmten 
Fall — allerdings dem Gesetze gemäß, wofern dafür be- 
reits eins vorhanden, zu treffende, wo aber noch keins 
bestehe, jedenfalls nach richtigen Prinzipien und über- 
haupt mit keinem bestehenden Gesetz in Widerspruch zu 
erlassende — Entscheidung oder Anordnung“. Die Existenz 
einer wahren richterlichen Gewalt leugnete dabei Rotteck: 
die Hauptsache bei der Justiz, nämlich das Erkennen 
oder Urteilen, sei bloß eine logische Funktion, kein Akt 
der Gewalt, sondern bloß des Verstandes oder der Urteils- 
kraft von seiten bestimmter Kunstverständiger. Dem- 
emäß sei es auch in Wirklichkeit falsch, den konstitu- 
tionellen Monarchen zur Quelle der Gerichtsbarkeit zu 
machen. Der Monarch sei so wenig „oberster Richter“, 
als er oberster Rechner sei, obschon er einen Rechnungs- 
hof ernenne. Nur die Untersuchung und die Vollstreckung 
der richterlichen Urteile sei Gewalt, gehöre aber zur 
Regierungsgewalt und nicht notwendig dem Richteramt 
an. In Preußen schloß sich auch Bergius (Preußen in 
staatsrechtlicher Beziehung 1838) dieser Grundanschauun 
vollkommen an, und suchte dabei gegenüber dem posı- 
tiven, namentlich im A.L.R. niedergelegten Stoff des 
preußischen Rechtes dadurch auszukommen, daß er einer- 
seits den Privilegienbegriff auf begünstigende, durch die 
Gesetzgebung in abstracto vorgesehene Akte der Ad- 
ministration (Verwaltung) beschränkte, andererseits der 
Administration selbst das Recht gab, da, „wo kein Gesetz 
bestimmt oder nur allgemein bestimmt, für konkrete Fälle“
	        
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