Abschnitt 1. Verfassung des Deutschen Reichs. 9
thanen Aeußerungen 0 gerichtlich oder disziplinarisch verfolgt oder sonst außerhalb
der Versammlung zur Verantwortung:) gezogen werden.
Artikel 31. Ohne Genehmigung des Reichstages kann kein Mitglied
desselben während der Sitzungsperiode ) wegen einer mit Strafe bedrohten
Handlung zur Untersuchung gezogen oder verhaftet werden!), außer wenn es bei
Ausübung der That oder im Laufe des nächstfolgenden Tages ergriffen wird.
Gleiche Genehmigung ist bei einer Verhaftung wegen Schulden erforderlich 5).
Auf Verlangen des Reichstages wird jedes Strafverfahren gegen ein
Mitglied desselben und jede Untersuchungs= oder Civilhaft für die Dauer der
Sitzungsperiode aufgehoben 5)7).
Artikel 32. Die Mitglieder des Neichstags dürfen als solche keine Be-
soldung oder Entschädigung beziehen 3).
VI. Zoll= und Handelswesen.
Artikel 33. Deutschland bildet ein Zoll= und Handelsgebiet, umgeben
von gemeinschaftlicher Zollgrenze?). Ausgeschlossen bleiben die wegen ihrer Lage
zur Einschließung in die Zollgrenze nicht geeigneten einzelnen Gebietstheile.
Alle Gegenstände, welche im freien Verkehr eines Bundesstaates befindlich
sind, können in jeden anderen Bundesstaat eingeführt und dürfen in letzterem
einer Abgabe nur insoweit unterworfen werden, als daselbst gleichartige in-
ländische Erzeugnisse einer inneren Stener unterliegen.
Artikel 34. Die Hansestädte Bremen und Hamburg mit einem dem
Zweck entsprechenden Bezirke ihres oder des umliegenden Gebietes bleiben als
Freihäfen außerhalb der gemeinschaftlichen Zollgrenze, bis sie ihren Einschluß
in dieselbe beantragen 10).
1) Vergl. R. Str. G. B. 8. 11.
2) Der in einer Reichstagsrede gemachte Angriff auf eine Person ist straflos.
Ein Reichstagsabgeordneter kann aber durch Wiederholung des Inhalts einer im
Reichstage gehaltenen Rede außerhalb des letzteren eine strafbare Handlung begehen,
Erk. R. G. 26. Okt. 1880 (E. Crim. 11. 365).
3) Auch während der Vertagung des Reichstages, Sten. Ber. R. T. 1890/92
S. 1041 ff., 1364.
1) Keine Anwendung findet diese Vorschrift auf die Festnahme zum Zwecke der
Vollstreckung einer rechtskräftig erkannten Freiheitsstrafe, Sten. Ber. 1874 S. 750,
1875/76 S. 471 ff.
5) Nach Aushebung der Schuldhaft durch Ges. vom 29. Mai 1868 (N. G.
Bl. S. 91) gegenstandslos.
6) Solange die Aufhebung nicht verlangt wird, ist die Fortsetzung eines vor
Zusammentritt des Reichstages begonnenen Strafverfahrens zulässig, Erk. R. G.
17. Okt. 1895 (E. Crim. XXVII. 385).
7) Ueber die Vernehmung als Zeuge oder Sachverständiger vergl. C. P. O.
§§. 347, 367, Str. P. O. 858. 49, 72; Ablehnung des Schöffen= oder Geschworenen=
amtes Ger. Verf. Ges. 8§. 35, 1, 85.
5) Haben aber das Recht freier Eisenbahnfahrt zwischen der Station ihres Wohn-
ortes und Berlin. Dieses Recht beginnt 8 Tage vor Eröffnung und erlischt 8 Tage
nach Schluß des Reichstages. Ueber die civilrechtlichen Wirkungen des Verbotes
vergl. E. Civ. XVI. 89.
") Vergl. den Zollvertrag vom 8. Juli 1867 (B. G. Bl. S. 81) und Art. 40.
Auf Helgoland findet Abschnitt VI keine Anwendung, §. 2 Ges. 15. Dez. 1890.
Dagegen gehören zum Zollgebiet Luxemburg (Vertr. 8. Febr. 1842 und 20./25. Okt.
1865), und die österreichischen Gemeinden Jungholz (Art. 2 Vertr. 8. Juli 1867)
und Mittelberg (Vertr. 2. Dez. 1890, R. G. Bl. 1891 S. 59).
10) Bremen und Hamburg sind im Jahre 1888 unter Belassung eines beschränkten
Freihafengebietes dem Zollgebiet angeschlossen. Vergl. über die Beitragskosten des
Reiches zum Anschlusse für Hamburg Ges. 16. Febr. 1882 (R. G. Bl. S. 39),
für Bremen Ges. 31. März 1885 (R. G. Bl. S. 79). Z Z
Auf die Freihafengebiete, die durch den Einschluß in die gemeinschaftliche Zoll-
grenze nicht berührt werden, findet Art. 34 der Reichsverfassung fortdauernd An-
wendung.