Der erste Kreuzzug 1096—1099. 49
sich von anderen Ständen unterschieden, erhielt erst durch die Kreuzzüge
ihre volle Ausbildung.
[Erster Kreuzzug 1096—1099.] Nach dem kläglichen Unter-
gange zuchtloser Scharen stellten sich an die Spitze besser ausgerüsteter
Heerzüge: Gottfried von Bouillon, Herzog von Niederlothringen,
mit seinen Brüdern; Hugo von Vermandois, der Bruder Philipps I.
von Frankreich; Raimund von Toulouse; dazu die Normannen:
Herzog Robert aus Nordfrankreich, Bosmund von Tarent, der
Sohn Robert Guiskards, und sein Neffe Tankred von Brindisi.
Von den Königen des Abendlandes beteiligte sich also an diesem
Kreuzzuge keiner, und auch die Deutschen hielten sich noch zurück
wegen des Streites zwischen Urban II. und Heinrich IV. Die Kreuz-
fahrer, angeblich 600000 Menschen, wahrscheinlich aber kaum 1000000
Mann stark, bewegten sich durch das oströmische oder griechische Reich
gegen Konstantinopel; Alexkus I. gestattete aber die Uberfahrt nach
Kleinasien erst gegen das Versprechen, daß die ihm von den Seld-
schukken entrissenen Länder nach der Eroberung zurückgegeben würden.
Darauf erkämpften sich die Heere durch die Einnahme von Nicäa,
der Hauptstadt der Seldschukken, und durch den Sieg bei Doryläum
den Durchzug durch Kleinasien; und nachdem sich Gottfrieds Bruder
Balduin in Edessa eine Grafschaft und Bosmund in Antiochien
ein Fürstentum gegründet hatten, erstürmte der Rest des Heeres, etwa
20000 Mann, am 15. Juli 1099 die Stadt Jerusalem, wo Gottfried
von Bouillon zum Herrscher gewählt wurde. Einrichtungen und
Verkehrssprache dieses neuen Königreichs waren vorzugsweise französisch.
Rückblick. Im Zeitalter der Frankenkönige erlangte das
deutsche Reich seine größte Ausdehnung; das anfangs gewaltige
Kaisertum büßte aber seit Heinrich IV. an Macht immer mehr ein,
und zwar 1. den Fürsten gegenüber, deren Amter sämtlich erbliche
Lehen geworden waren; 2. den Päpsten gegenüber, die seit Gregor VII.
teils durch die Reformen der Kirche (Simonie, Zölibat, Investitur),
teils durch die oberste Leitung der Kreuzzüge das höchste Richteramt
über die ganze abendländische Christenheit erlangten. Die Hauptstütze
des Kaisertums bildeten die jetzt zahlreicher aufkommenden Städte.
Die Literatur der Deutschen war immer noch wesentlich lateinisch,
besonders die Geschichtschreibung 7).
1) Wipo beschrieb das Leben Konrads II.; Hermannus Kontraktus
(d. i. der Lahme) zu Reichenau in der Schweiz: eine Chronik, das Leben Hein-
Jaenicke, Deutsche und brandenburg.-preuß. Geschichte. I. 10. Aufl. 4