Full text: Die deutsche und die brandenburgisch-preußische Geschichte. Erster Teil: Die deutsche Geschichte bis zum westfälischen Frieden. (1)

Rückblick. 63 
gebüßt, da sie nicht mehr zugleich Reichsämter sind. Der einzige Hof- 
und Reichsminister ist der Kanzler, der durch seine Besiegelung den 
königlichen Urkunden Geltung verleiht. Eine Hauptstadt hat der Kaiser 
ebensowenig wie in früherer Zeit; er zieht vielmehr von Pfalz zu Pfalz. 
2. Die Fürsten oder der hohe Adel, also die Erzübischöfe, 
Bischöfe, Reichsäbte, Herzöge, Pfalz-, Mark-, Land= und sogenannten 
Reichsgrafen, besitzen den Heer= und Gerichtsbann in ihren Gebieten. 
Jeder Fürst ist ein reichsunmittelbarer Stand (d. h. dem Kaiser einzig 
und allein untertan) und hat als solcher namentlich das Recht, auf 
den Reichstagen zu erscheinen und mitzustimmen. Aber auch er ist, 
wie der König den Fürsten gegenüber, nach unten hin seinen Land- 
ständen gegenüber in Gesetzgebung und Finanzwesen gebunden. Die 
Landstände sind nämlich die in den fürstlichen Gebieten landsässigen 
höheren Geistlichen, Grafen, freien Herren, Ritter und Ministerialen, 
die zusammen den niedern Adel bilden; dazu kommen noch die Ver- 
treter der Landstädte. Mit diesen allen berät also der Fürst die 
Landesgesetze und stellt die Höhe der Steuer (Bede) fest, die er 
zu Kriegs= und anderen Zwecken bedarf, und die die Stände aufzu- 
bringen haben. 
3. Zwischen den Fürsten und dem niedern Adel stehen die 
Reichsritter, d. h. die einstigen Ritter und Ministerialen des König- 
tums, als eine Art mittleren Adelsz; sie sind am stärksten vertreten 
in Franken, Schwaben und am Rhein, wo die herzogliche Gewalt seit 
dem 13. Jahrhundert allmählich ganz eingegangen war; sie behaupteten 
noch lange ihre Reichsunmittelbarkeit in heftigen Kämpfen mit den 
Fürsten. 
4. Die Städte, seit 1150 in immer größerer Zahl gegründet, 
aber an Einwohnerzahl noch sehr unbedeutend), zerfallen in a) freie 
Reichsstädte, d. h. dem Könige allein untergebene, die meist aus 
königlichen Pfalzen oder Bischofssitzen hervorgegangen sind, und 
b) Landstädte, d. h. solche, die einem Landesherrn untertan sind. 
In beiden Arten verwaltet ursprünglich ein vom Könige oder vom 
Landesherrn gesetzter Vogt (advocatus) die Blutgerichtsbarkeit und 
ein Schultheiß?) (Schulze) mit mehreren Schöffen die bürgerliche 
1) Köln, damals die größte Stadt Deutschlands, zählte höchstens 40— 50000 
Einwohner. 
2) Altdeutsches Wort, zusammengesetzt aus schult — Verpflichtung und 
heiszen = befehlen. 
 
	        
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