Full text: Die deutsche und die brandenburgisch-preußische Geschichte. Erster Teil: Die deutsche Geschichte bis zum westfälischen Frieden. (1)

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66 Das Interregnum 1256—1273. 
Münster 1) zu Straßburg und der Dom zu Köln (1248) gebaut. 
Nicht minder deutlich zeigte sich der neue Volksgeist in der Dichtkunst; 
bürgerliche und ritterliche (oder höfische) Sänger dichteten fortan in 
deutscher Sprache; jene entnahmen ihre Stoffe älteren Volkssagen, 
diese behandelten meist fremdländische (romanische) Sagen. Am be- 
kanntesten sind die Volksepen des Nibelungen= und Gudrunliedes 
und folgende Dichter: 1. Heinrich von Veldeke (Aneide), 2. Wolfram 
von Eschenbach (Parzival), 3. Hartmann von Aue (Der arme 
Heinrich), 4. Gottfried von Straßburg (Tristan und Isolde) und 
5. Walther von der Vogelweide, der größte Minnesänger 
dieser Zeit?). 
5. Das Interregnum und die Zeit der reinen Wahlmonarchie 
1256—1438. 
Das Znterregnum 1256—1273. (Anarchies).] Nach dem Tode 
Wilhelms von Holland 1256 gab es keinen deutschen Fürsten, 
der bei der Verworrenheit aller staatlichen Verhältnisse nach der Königs- 
krone gestrebt hätte. Zwei auswärtige Fürsten, König Alfons X. 
von Kastilien und Graf Richard von Kornwallis, erkauften zwar 
ihre Wahl, erlangten aber keine Macht, ja Alfons betrat nicht einmal 
den deutschen Boden. Daher nennt man diese Zeit das Interregnum 
(die Zwischenherrschaft) oder die kaiserlose Zeit, in der die zahl- 
reichen Fehden der Fürsten, Ritter und Städte jede Rechtssicherheit 
zerstörten; hatte doch niemand ein allgemein anerkanntes Oberhaupt 
zu fürchten. Es war die Zeit des Faustrechts, in der jeder tat, was 
ihm gut deuchte. So weit war es gekommen infolge der fortwährenden 
Kämpfe zwischen Kaisertum und Papsttum, zwischen Königtum 
und Fürstentum! Weder die weltliche noch die geistliche Gewalt 
besaß Kräfte genug, um die zerrütteten Zustände zu ordnen. Und als 
sich dann die deutschen Fürsten endlich wieder zur Wahl von Königen 
entschlossen, berücksichtigten sie zwar persönlich tüchtige, aber möglichst 
machtlose Männer, die der Fürstengewalt nicht viel anhaben konnten; 
  
1) Vom latein. monasterium, Kloster. 
2) Im südlichen Frankreich nannte man die ritterlichen Sänger Trouba- 
dours (von trouver — Finder, Dichter); bekannt ist Bertram de Born um 1180. 
In England hießen sie Minstrels (von ministeriales, Hofleute), in Deutschland 
Minnesänger (Minne — Liebe). 
) Vom griech. a (an) privativum und archein herrschen, also Herrschaftslosigkeit.
	        
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