Full text: Die deutsche und die brandenburgisch-preußische Geschichte. Erster Teil: Die deutsche Geschichte bis zum westfälischen Frieden. (1)

Die Reformation bis 1521. 85 
Universität Erfurt, um Rechtswissenschaft zu studieren. Er widmete 
sich aber mehr der Philosophie und trat 1505 in das Augustiner— 
kloster zu Erfurt ein. Hier lebte er unter entsetzlicher Seelenpein, 
bis er im paulinischen Römerbriefe den tröstenden Gedanken gefunden 
zu haben meinte, der Mensch könne nicht durch seine Werke, sondern 
nur durch den Glauben an Gottes Gnade selig werden. Er wurde 
1508 Professor an der (1502 gegründeten) Universität Wittenberg, 
machte 1511 im Auftrage seines Klosters eine Reise nach Rom und 
erhielt 1512 die theologische Doktorwürde. 
[Die 95 Thesen 1517.] Einige Jahre später schrieb Papst 
Leo X. einen großen Ablaß aus, mit dessen Verkündigung in Deutsch- 
land Albrecht von Mainz aus dem Hause Hohenzollern betraut 
wurde, und dessen Ertrag zum Bau der Peterskirche in Rom be- 
stimmt war. Als nun der Dominikaner Johann Tetzel diesen Ab- 
laß unter großem Zulaufe der Menge in Jüterbog predigte, schlug 
Luther am 31. Oktober 1517 an die Schloßkirche zu Wittenberg 
95 Thesen (Sätze) an, in denen er sich gegen den Mißbrauch des- 
Ablasses wandte. Dieses Ereignis gilt als der Anfang der Reformation. 
[Kajetän 1518. Miltitz 1519. Eck 1519.] Die Theslen 
machten ungeheures Aufsehen und veranlaßten auch den Papst, Luther 
1518 nach Augsburg zu laden und durch den Kardinal Thomas 
de Vio aus Gaöta (Kajetän) verhören zu lassen. Luther entfloh 
aber, ohne widerrufen zu haben, im Dunkel der Nacht und wurde 
auch durch seinen ihm günstig gesinnten Landesherrn, den Kurfürsten 
Friedrich den Weisen von Sachsent), vor Auslieferung geschützt. 
Der päpstliche Kammerherr Karl von Miltitz machte dann 1519 
zu Altenburg als Privatmann nochmals den Versuch, Luther um- 
zustimmen, und dieser versprach auch, schweigen zu wollen, wenn seine 
Gegner schwiegen. Zu denen gehörte vor allem der gelehrte Professor 
Johann Eck (eigentlich Mayr von Eck) in Ingolstadt, der Luthers 
Amtsgenossen Andreas Bodenstein (genannt Karlstadt nach seiner 
Vaterstadt am Main) 1519 zu einer öffentlichen Disputation oder 
  
1) In Sachsen-Wittenberg (s. § 54 A.) war 1422 die askanische Herrscher- 
familie ausgestorben, und das Land kam an Friedrich den Streitbaren von 
Meißen aus dem Hause Wettin. Seine Enkel waren Ernst und Albrecht, die 
den großen Besitz teilten: die ernestinische Linie war die kurfürstliche mit 
Torgau und Wittenberg; die albertinische war die herzogliche mit Dresden 
und Leipzig.
	        
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