Full text: Die deutsche und die brandenburgisch-preußische Geschichte. Zweiter Teil: Preußisch-deutsche Geschichte bis zum Tode Friedrichs des Großen. (2)

Friedrich II. der Große. 83 
seiner Jugend als König ab, behielt aber die Neigung zu künstle- 
rischer und wissenschaftlicher Beschäftigung in so hohem Maße bei, 
daß er am liebsten Privatmann gewesen wäre. Trotzdem gab er sich 
seinem schweren Berufe, zu dem er geboren war, mit höchster Pflicht- 
treue und Aufopferung hin, ja er betrachtete sich als den ersten 
Diener des Staats, der ununterbrochen arbeiten müsse 1), um sein 
Land machtig und seine Untertanen glücklich zu machen. Dabei hatte 
er von der ihm zustehenden Souveränität eine ganz andere 
Auffassung als seine Vorgänger, die zwar auch für das Wohl des 
Volkes unablässig besorgt waren, sich aber wenig um seine Meinung 
gekümmert hatten. Friedrich suchte dagegen seine Untertanen weit 
mehr zum selbständigen Denken und Handeln in politischen und 
wirtschaftlichen Dingen heranzubilden, die Köpfe „aufzuklären“ und 
die Sitten zu „kultivieren“, d. h. menschenwürdiger zu gestalten, so 
daß man seine Staatsverwaltung als eine aufgeklärte Des- 
potie bezeichnet hat. Nach seiner Ansicht hat das Volk eigentlich 
die Berechtigung, politisch frei zu sein und sein Geschick sich selbst 
zu bestimmen, der König aber die Verpflichtung, sich bei jedem Erlaß 
vorher zu fragen, wie Bürger und Bauern darüber urteilen werden. 
Er war daher auch entrüstet über die Hörigkeit der Bauern und die 
Gebundenheit der städtischen Gemeinden, in denen immer noch ein 
königlicher Bürgermeister an der Spitze stand. Wenn Friedrich II. 
gleichwohl in den Wegen seines Vaters durchaus weiter wandelte, 
so lag dies eben an den Zeitverhältnissen: sein Staat war noch zu 
klein und die gewonnene Großmachtstellung noch zu sehr bedroht, 
als daß einschneidende Neuerungen, wie er sie für erstrebenswert 
hielt, schon damals durchführbar gewesen wären. Vor allem tat 
auch fernerhin noch ein einziger kräftiger Herrscherwille not, der 
in seinen Entschlüssen unbeschränkt war. Aber es gab doch einige 
Gebiete, auf denen der Freiheit größerer Spielraum als bisher ver- 
schafft werden konnte; das waren Rechtspflege, Religion, Kunst und 
Wissenschaften. 
Ständewesen, Finanzen, Heer. [Beibehaltung des 
Ständewesens und der Verwaltung.] Die meisten 
  
1) Er sagt: „Le souverain est le premier serviteur de IEtat, il est 
bien payé pour qu’il soutienne bien la dignité de son caractère (er wird gut 
bezahlt, um die Würde seiner Stellung aufrecht zu erhalten), mais on demande 
de lui qdwiil travaille efficacement pour le bien de l'Vtat . ..“ 6 
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