Wilhelm II. 107
geschaffen. Jedes Grabenstück, jede Anhöhe, jeder Schritt wurde
durch Artillerie- und Gewehrfeuer, durch Minenwerfer, Maschinen—
gewehre und Handgranaten heiß umstritten. Besonders schwierig
und anstrengend wurden die Kämpfe an der flandrischen Küste, die
teilweise weithin unter Wasser gesetzt war und durch feindliche
Kriegsschiffe beschossen wurde, in der Gegend um la Bassée, in der
Champagne, in den urwaldähnlichen Argonnen und in den Vogesen.
Erst Mitte Dezember wagte Joffre wieder einen allgemeinen, den
dritten Vorstoß gegen die Deutschen. Aber er hatte keinen Erfolg.
Ja die Verbündeten erlitten Mitte Januar 15 bei Soissons eine
schwere Niederlage und verloren innerhalb vier Wochen mindestens
150 000 Mann und zahlreiches Kriegsmaterial. Ebenso unglücklich
verliefen für sie die noch zu erwähnende Winterschlacht in der
Champagne (Febr. und März 15) und die Kämpfe um AYpern
[jépern] (22. 4. 15).
Der östliche Kriegsschauplatz. [Die Siege Hindenburgs
bei Tannenberg 30. 8. und an den Masurischen Seen
12. 9. 14.] Die Provinz Ostpreußen wurde sofort bei Ausbruch
des Krieges von russischen Kavallerie-Divisionen beunruhigt und
dann durch zwei gewaltige russische Armeen großenteils über-
schwemmt. Die Bewohner flüchteten, wenn sie rechtzeitig gewarnt
waren, scharenweise in die westlicheren Provinzen, die zurück-
gebliebenen aber fanden keine Gnade vor den Barbaren, die das
Land mit Rauben und Morden, mit Sengen und Brennen durch-
zogen und schließlich noch Tausende mit sich schleppten. Unser Kaiser
befahl sofort, die entsetzliche Not seiner Ostpreußen mit allen Mitteln
zu lindern. Auch nahten schon die Retter, Hindenburg und sein
Generalstabschef Ludendorf. Generaloberst Paul v. Hinden-
burg, wie sich bald herausstellte, ein zweiter Marschall Vorwärts,
warf sich zunächst auf die russische Warew-Armee unter General
v. Samsanow, rieb sie am 30. S. 14 durch die fünftägige Schlacht bei
Tannenberg zwischen Hohenstein, Gilgenburg und Ortelsburg
fast völlig auf und nahm in den Sümpfen und Wäldern an den
dortigen Preußischen Seen 93. 000 Mann gefangen, wobei er noch
den größten Teil des feindlichen Artilleriematerials vernichtete 1).
1) Es war eine zweite, aber in größte Verhältnisse übertragene „Schlacht
bei Kann“, in der 135 000 Deutsche gegen 250 000 Russen fochten. Unser
Kaiser nennt sie „einzig dastehend in der Geschichte“.