§ 3b.
12 Friedrich Wilhelm II.
keit ist ebenso wichtig wie die des Landmannes. — Mit der dauern-
den Finanznot des Staates hing dann aber auch
4. die wirtschaftliche Notlage des „dritten
Standes“ zusammen. Man unterscheidet nämlich in dem da-
maligen Frankreich drei Stände: die Geistlichkeit, den Adel und den
dritten Stand (tiers-ötat), obwohl tatsächlich zahlreiche Üübergänge
und Ungleichheiten innerhalb dieser Stände vorhanden waren. Denn
die Geistlichkeit (Klerus), etwa 80 000 Köpfe stark, zerfiel in die
hohen Kirchenbeamten (Erzbischöfe, Bischöfe, Abte und Pfarrer in
den großen Städten), die mit ihren hohen Einkünften oft ein
üppiges Leben führten, und die Landpfarrer (euré, Kuratus), die
wegen ihres geringen Einkommens sich zu den Unzufriedenen hielten.
Zum Adel mit etwa 120 000 Köpfen gehörten einerseits die über-
mäßig reichen Pairs, d. h. die ursprünglich dem Könige Gleichen
(pares), und der schwelgerische Hofadel in der Umgebung des Königs,
andrerseits der Landadel, der durch Kriegsdienste und niedrige Korn-
preise vielfach verarmt war. Wer es aber irgendwie durchsetzen
konnte, verpachtete sein Gut und lebte in den großen Städten. Der
dritte Stand endlich, die große Masse von etwa 25 Millionen
Köpfen, reichte vom hohen Beamten bürgerlicher Herkunft und vom
Großkaufmann herab bis zum Kleinbauern, Pächter (Meier),
Fabrikarbeiter und Bettler. Jene wohlhabenden Bürger bildeten die
Bourgeoisie, die nächst dem Pariser Parlament der Regierung
am gefährlichsten werden sollte. An direkten Steuern wurden
nun erhoben die Taille, d. i. eine Abgabe vom Grund und Boden,
die Kopfsteuer und der Zwanzigste (etwa 2½ %); indirekte
Steuern lasteten auf vielen Lebensmitteln (Wein, Getreide, Salz)
und Gebrauchsgegenständen und waren überaus drückend. Aber die
Geistlichkeit zahlte fast gar keine Steuern, und der Adel war von der
Taille ebenfalls befreit, so daß die Bürger und besonders die Bauern
und Pächter, die nur ein Drittel Frankreichs als Eigentum be-
saßen 1), den größten Teil der Steuern aufzubringen hatten. Da
die Bauern außerdem noch mit vielen Leistungen (Hand= und Spann-
diensten, Naturalienabgaben) belastet waren, so herrschte unter ihnen
ein wirklicher Notstand. — Schon lange hatte
1) An hörigen Bauern gab es in Frankreich damals nur einige
Hunderttausende, d. h. etwa nur ½/100 der Landbevölkerung.