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14 Friedrich Wilhelm II.
c) Verlauf der Revolution.
Anfang der Revolution. [BBerufung der Reichsstände
Mai 1789.] Um der aufs äußerste gestiegenen Finanznot ein
Ende zu machen, berief Ludwig XVII., nachdem er sich vergeblich an
die Notabeln (Großen des Staates) und die Parlamente (Gerichts-
höfe) um Abhilfe gewandt hatte, am 5. Mai 1789 die Reichs-
stände (états généraux) nach Versailles. Diese waren von
den selbstherrlich regierenden Königen seit 1614 nicht mehr ein-
berufen worden. Jetzt sollten sie beraten, wie neue Geldmittel zu
beschaffen seien. Es versammelten sich je 300 Abgeordnete der Geist-
lichkeit und des Adels und 600 des tiers-ötat. Letztere verlangten
Abstimmung nach Köpfen, um von den beiden anderen Ständen
nicht überstimmt zu werden, während diese nach Ständen ab-
zustimmen wünschten. Als der König den Streit schlichten wollte,
verließ der dritte Stand am 20. Juni den Sitzungssaal, erklärte sich
in dem nahen Ballhause 1) als allein maßgebende National-
versammlung (Assemblée nationale) und schwor, sich nicht
eher zu trennen, als bis Frankreich eine neue Verfassung erhalten
hätte. Der König war schwach genug, sich dieser Anmaßung zu
fügen und den beiden anderen Ständen zu gestatten, sich ebenfalls
an der konstituierenden, d. h. verfassunggebenden, National=
versammlung zu beteiligen.
Die konstituierende Nationalversammlung 1789—1791.
[Bastille 14. Juli; Aufhebung des Lehnswesens
4. August; Übersiedlung der Versammlung nach
Paris 5. Oktober 1789.] Ludwig glaubte, durch das ent-
schiedene Auftreten des dritten Standes könne die öffentliche
Ruhe gefährdet werden, und zog daher zwischen Paris und Versailles
größere Truppenmassen zusammen. Diese Maßregel aber
reizte einen bewaffneten Pöbelhaufen in Paris zu einem Aufstande,
in dem am 14. Juli 1789 die Bastille, eines der Staatsgefäng-
nisse, zur ÜUbergabe bewogen und zerstört wurde. Die Provinzen
folgten dem Beispiele der Hauptstadt. Allenthalben brachen greuel-
1) So genannt nach einem in dem Hause befindlichen Saale, der zum
Ballspiele benutzt wurde. Den Antrag, der dritte Stand solle sich als eine
Assemblée nationale konstituieren und die beiden anderen Stände zum Beitritt
einladen, hatte am 17. Juni der durch seine Flugschrift: „Oufest-ce qdue le
tiers-etat? C'’est la nation“ bereits wohlbekannte Abbe Sieyes (siecel
gestellt.