Friedrich Wilhelm III. 55
stande, eine Verfassung, die den Wünschen der deutschen Nation in
keiner Weise entsprach. Denn von einem deutschen Volke, von einem
deutschen Kaiser war keine Rede mehr. Es gab nur noch 39 ein—
zelne, völlig selbstherrliche deutsche Staaten, die in
dem „Deutschen Bunde“ locker zusammen gehalten wurden.
Diesem Bunde gehörten übrigens Österreich und Preußen nur mit
einem Teile ihrer Länder an, indem das transleithanische
Osterreich und die Provinzen Preußen und Posen aus-
geschlossen waren. Dagegen hatten sogar drei Ausländer Sitz und
Stimme: der König von England für Hannover (wenigstens bis
1837; s. § 24, Anm. 1), der König von Dänemark für Holstein
und Lauenburg und der König der Niederlande für Luxemburg
und Limburg. Die Bundesgewalt lag in den Händen des ständigen
Bundestages zu Frankfurt a. M. Dieser bestand aus Ver-
tretern der einzelnen Regierungen unter dem Vorsitze Österreichs und
zählte (später) 66 Stimmen. Er faßte seine Beschlüsse entweder in
einem engern Rate von 17 Stimmen oder bei wichtigeren An-
gelegenheiten im Plenum (d. h. Gesamtheit) aller 66 Stimmen.
Das Volk hatte im Deutschen Bunde keine Vertretung, ja
nicht einmal den Einzelstaaten wurde eine konstitutionelle Verfassung
mit Bestimmtheit zugesagt. Denn der Artikel 13 der Bundesakte
sagte vorsichtigerweise nur: „In allen deutschen Staaten wird eine
landständische Verfassung stattfinden.“" An Nahrung zur Un-
zufriedenheit fehlte es also für die nächste Zeit nicht.
Die Herrschaft der hundert Tage. [Napoleons Landung
in Cannes 1. März.] Napoleon benutzte die mit Lud-
wigs XVIII. Regierung bald unzufrieden gewordene Stimmung
in Frankreich und die Spaltung der europäischen Mächte in Wien zu
einem Versuche, sich aufs neue zum Herrscher der Franzosen auf-
zuwerfen. Er landete mit 900 Getreuen bei Cannes (westl. von
Nizza), erhielt von allen Seiten Zuzug und marschierte wie in einem
Triumphzuge nach Paris. Der König flüchtete wieder ins Ausland.
Die verbündeten Fürsten aber, die in der Rückkehr Napoleons die
größte Gefahr für den Weltfrieden erblickten, erklärten diesen in
die Acht.
[Ligny und Quatrebras 16. Juni. Belle-
Alliance (oder Waterloo) 18. Juni 1815.] An der
belgischen Grenze und in den Niederlanden standen noch
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