Full text: Die deutsche und die brandenburgisch-preußische Geschichte. Dritter Teil: Preußisch-deutsche Geschichte vom Tode Friedrichs des Großen bis zur Gegenwart. (3)

74 Friedrich Wilhelm IV. 
helms IV., durch die der König trotz der Revolution dem Volke für 
alle Zukunft einen wesentlichen Teil seiner Befugnisse abtrat. Die 
preußische Verfassung unterscheidet sich aber vorteilhaft von der 
anderer Staaten dadurch, daß der König allein die ausübende 
Gewalt (Exekutive) besitzt, da er doch die schwerste Verant- 
wortung trägt. Dagegen ist der König z. B. in England oder in 
Italien das blinde Werkzeug der jedesmal herrschenden Partei und 
darf sich nicht einmal die Minister frei wählen. Daher sagte auch 
Friedrich Wilhelm IV. bei seiner Eidesleistung am 6. Februar 1850: 
„In Preußen muß der König regieren, und Ich regiere nicht, 
weil es also Mein Wohlgefallen ist, Gott weiß es! sondern weil es 
Gottes Ordnung ist; darum aber will Ich auch regieren: — ein freies 
Volk unter einem freien Königel Dem Umstande, daß der 
preußische König auch die auswärtige Politik selbständig leiten durfte, 
war es vorzugsweise zu danken, daß schon Friedrich Wilhelms IV. 
tatkräftiger Nachfolger den größten Teil Deutschlands zu einem 
mächtigen Kaiserreiche zu einigen vermochte, ein Werk, das die 
deutsche Nation bekanntlich von sich aus versucht, aber nicht zustande 
gebracht hatte. 
[Die preußische Verfassung vom 31. Januar 
1850.] Nach unserer Verfassung vom 31. Januar 1850 kommt die 
gesetggebende Gewalt (Legislative) dem Könige gemeinsam 
mit den beiden Kammern oder Häusern des Landtags zu. Die 
433 Mitglieder 1) der zweiten Kammer oder des Hauses der Ab- 
geordneten sind die Vertreter des ganzen Volkes und werden in 
indirekter Weise gewählt. Alle unbescholtenen Preußen von 
wenigstens 24 Jahren 2) wählen nämlich als sogenannte Urwähler 
in drei nach dem Einkommen abgestuften Klassen zunächst die 
Wahlmänner, und diese wählen dann erst die Abgeordneten, 
die mindestens 30 Jahre alt sein müssen. Alle fünf Jahre erfolgt 
eine Neuwahl. Die erste Kammer oder, wie sie seit 1855 genannt 
wurde, das Herrenhaus vertritt das Volk nicht nach Maßgabe 
des Besitzes 3), sondern nach seinen sozialen und geistigen Kräften 
  
1) Durch Gesetz vom Jahre 1906 auf 443 erhöht. 
2) Nach Artikel 70 der Verfassung das 25. Lebensjahr; dieser Artikel ist 
aber bisher suspendiert. 
3) Das Dreiklassensystem des Abgeordnetenhauses soll bewirken, daß das 
Volk nach Maßgabe des Besitzes vertreten ist.
	        
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