Friedrich Wilhelm IV. 75
und besteht daher aus bevorrechtigten Mitgliedern, nämlich aus den
königlichen Prinzen, den Reichsunmittelbaren, den Vertretern der
Grafschafts- und Ritterschaftsverbände und denen des alten, be—
festigten Grundbesitzes, den Vertretern der großen Städte, der Uni—
versitäten und vom Könige auf Lebenszeit ernannten Vertrauens—
männern. — Ein Gesetz kommt also nur zustande, wenn der König,
das Herrenhaus und das Abgeordnetenhaus darüber einig sind. Ein
jährlich wiederkehrendes Gesetz ist der Staatshaushalts—
etat (Budget lbüdjél, d. h. eigentlich Beutel), zu dem der Landtag
ebenfalls seine Zustimmung zu geben hat.
Die vollziehende Gewalt (Exekutive) ruht, wie schon gesagt,
allein in den Händen des Königs, der für seine Person unverletz-
lich und niemand verantwortlich ist. Er ernennt also die Minister,
die durch ihre Gegenzeichnung die Verantwortung für die königlichen
Erlasse übernehmen, und alle anderen Staatsbeamten und Offiziere.
Er beruft die Kammern und schließt ihre Sitzungen. Er verkündigt
die Gesetze und erläßt die zur Ausführung erforderlichen Anord-
nungen. Er führt den Oberbefehl über das Heer, erklärt den Krieg!)
und schließt Frieden und Verträge mit fremden Mächten. Die
richterliche Gewalt ist jedoch von der vollziehenden getrennt und
wird durch unabhängige, nur dem Gesetze unterworfene Gerichte aus-
geübt; der König hat nur das Recht der Begnadigung und Straf-
milderung.
Kirche, Schule, Kunst und Wissenschaften. Zwei Dinge lagen
Friedrich Wilhelm IV. vor allem am Herzen: die Kirche und die
Kunst. Die Volksschulen wurden jetzt mehr als früher auf
den Wert einer vorzugsweise religiösen Erziehung hingewiesen. Die
Künste und Wissenschaften gelangten zu einer schönen Blüte.
Der König selbst legte 1842 den Grundstein für den Fortbau des
Kölner Doms, der 1880 vollendet wurde. In Berlin und
Düsseldorf entstanden berühmte Malerschulen?). In den
Wissenschaften zeigte sich schon seit Anfang des Jahrhunderts fast
auf allen Gebieten frisches Leben, namentlich in den Naturwissen-
schaften, in der Philologie (vergleichende Sprachforschung), in der
Erdkunde (Karl Ritter) und in der Geschichte (Niebuhr, Leopold
von Ranke).
1) In betreff der Kriegserklärung vgl. die Reichsverfassung § 37,4.
2) Die Burg der Hohenzollern und t(wenigstens teilweise) die
Marienburg wurden wiederhergestellt.