Full text: Die deutsche und die brandenburgisch-preußische Geschichte. Dritter Teil: Preußisch-deutsche Geschichte vom Tode Friedrichs des Großen bis zur Gegenwart. (3)

76 Wilhelm J. 
Familie. Friedrich Wilhelm IV. war mit der bayerischen 
Prinzessin Elisabeth Luise vermählt (71 1873), von der er 
keine Kinder hatte. Als er daher infolge der vielen Sorgen und An- 
strengungen 1857 schwer erkrankte, ernannte er seinen Bruder 
Wilhelm zum Stellvertreter und 1858 zum selbständigen 
Regenten. Am 2. Februar 1861 starb Friedrich Wilhelm IV., und 
ihm folgte 
4. Wilhelm I., seit 1871 Deutscher Kaiser. 1861—13888. 
(L. II, 78: Lambeck, Die Gründung des Deutschen Reichs; 79. 80; 
Ede, Kaiser Wilhelms Paladine: Bismarck, Moltke, Roon.) 
Wilhelm I. wurde am 22. März 1797 zu Berlin geboren, 
machte den französischen Feldzug 1814 mit, erhielt wegen seines 
Mutes bei Bar sur Aube das Eiserne Kreuz und zog mit den 
Verbündeten in Paris ein. Seine lebhafteste Teilnahme wandte er 
dem preußischen Heere zu, das er zum besten der Welt machte. — 
Charakterfestigkeit, Umsicht, Selbstlosigkeit und wahre Frömmigkeit, 
die sich auch in seinem Wahlspruche: „Gott mit uns“ kundgibt, 
zeichneten ihn in hohem Maße aus. Sein Verdienst ist es vorzugs- 
weise, daß das heiße Sehnen der Deutschen nach nationaler Einigung 
eine schöne Erfüllung gefunden hat. Und doch begegnete er gerade 
hierbei dem heftigsten Widerstande. Denn das Abgeordnetenhaus 
versagte ihm ausreichende Geldmittel zu einer Heeresvber- 
besserung (Reorganisation), weil es in der Annahme, König 
Wilhelm werde von seinen Truppen ebensowenig Gebrauch machen, 
wie sein friedliebender Bruder Friedrich Wilhelm IV., die großen 
Ausgaben für überflüssig hielt. Er traf daher seine Anstalten auf 
eigene Hand, regierte einige Jahre ohne Budget 1) und berief, da 
seine Minister mit Ausnahme Roons dem Abgeordnetenhause nach- 
geben zu müssen glaubten und ihn verließen, den Mann zu seinem 
ersten Ratgeber, der bereit war, im Verein mit ihm den Kampf 
  
1) Der Landtag hat zwar das Recht, die Staatsausgaben zu bewilligen 
und zu verweigern, aber nicht das Recht, die Einziehung der einmal bestehenden 
Steuern zu verweigern. Die Abgaben kamen also nach wie vor ein, und der 
König verwandte sie nach bestem Wissen und Gewissen. Nach dem Kriege von 
1866 erteilte der Landtag für die budgetlose Zeit Indemnität (indemnitas, 
Schadloshaltung), d. h. er genehmigte nachträglich die von der Regierung 
gemachten Ausgaben.
	        
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