Full text: Die deutsche und die brandenburgisch-preußische Geschichte. Dritter Teil: Preußisch-deutsche Geschichte vom Tode Friedrichs des Großen bis zur Gegenwart. (3)

Wilhelm II. 97 
lung deutscher Bauern und Arbeiter in den polnisch redenden Ge— 
bieten Posens und Westpreußens. Der Antrag wurde von den 
Kammern angenommen, ebenso 1902 die Erhöhung der Summe um 
250 Millionen, wovon auch geeignete Staatsdomänen angekauft 
werden sollen. 
Die Aufbesserung der Lage der Arbeiter behielt der Kaiser 
unausgesetzt im Auge. Schon in der Thronrede von 1888 erklärte 
er, sich die Botschaft vom 17. November 1881 in vollem Umfange 
aneignen zu wollen, und schon 1889 kam das Invaliditäts— 
und Altersversicherungsgesetz zustande, die dritte der 
drei großen sozialpolitischen Einrichtungen. Sie gewährt die In- 
validenrente nach fünfjähriger Beitragsleistung und die Altersrente 
vom 70. Lebensjahre ab nach 30 jähriger Beitragsleistung. Die 
Beiträge zahlen Arbeiter und Lohnherren zu gleichen Teilen, das 
Reich gibt für jede Rente einen Zuschuß von 50 Mark jährlich. Die 
soziale Gesetzgebung zwingt also die Arbeiter zum Sparen und da- 
mit zur Selbsthilfe in den Zeiten der Not und schließt die Ver- 
sicherten zu großen Genossenschaften zusammen. Im weitern Fort- 
gange berief der Kaiser (1890) eine internationale Arbeiter- 
konferenz, deren Ergebnisse die dabei beteiligten Staaten noch 
heute beschäftigen, und 1891 entstanden das Gesetz über die Sonn- 
tagsruhe und das Gesetz, das die Kinderarbeit in den 
Fabriken verbietet. Trotz so großer Fürsorge für das Wohl der so- 
genannten arbeitenden Klassen wuchs die Zahl der Sozialdemo- 
kraten immer mehr an, zumal als das Sozialistengesetz (8 38, 4) 
nach 1890 nicht mehr erneuert wurde. Es zeigte sich dies nament- 
lich bei den Wahlen, durch die einmal schon 111 Sozialdemokraten 
in den deutschen Reichstag berufen wurden, während allerdings in 
das preußische Abgeordnetenhaus infolge des Dreiklassen-Wahl- 
systems bisher nur wenige Mitglieder dieser Partei gelangten. Die 
Sozialdemokratie nahm auch immer gefährlichere Formen an, und 
der Drang, rasch zum Siege zu gelangen, trieb die Radikalsten 
immer mehr in die Arme der Anarchisten, die sich durch Gewalt- 
taten an gekrönten Häuptern (Kaiserin Elisabeth von Österreich und 
König Humbert von Italien), Präsidenten der Republiken (Frank- 
reich und Amerika) und hohen Polizeibeamten in erschreckender 
Weise bemerkbar machten. So besteht denn fortgesetzt in dem An- 
Jaenicke, Deutsche und brandenburg.-preuß. Geschichte. III. 11. Aufl. 7
	        
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