6306 Drittes Buch. Allgemeine Staatsrechtslehre.
Gemeinwesen erscheint, so war doch zur Zeit seiner größten
Herrschaft ein gewisses Maß einheitlicher Zentralregierung für
alle Provinzen vorhanden, welches namentlich die Einheit nach
außen umfaßte. Eine bloß auf die Herrscherperson beschränkte
Einheit wurde, sobald die Vorstellungen vom Staate sich nur
einigermaßen schärfer ausprägten, noch nicht als ein staatliches
Gebilde angesehen; vielmehr setzt in solchen Fällen der Begriff
der Personalunion in seiner ursprünglichen Gestaltung ein. Auch
wo den einzelnen Territorien eine selbständige Organisation ver-
bleibt, wird doch ihr Zusammenschmelzen zu einem Staate in
erster Linie durch Herstellung eines Systems von Zentralbehörden
neben den obersten Provinzialbehörden bewirkt, namentlich auf
den Gebieten der auswärtigen Angelegenheiten, des Heer- und
Fiınanzwesens. Aber auch heute würde dort, wo gar keine Ver-
bindung zwischen der Verwaltung mehrerer Gebiete bestünde,
daher gemeinsame Zentralstellen gänzlich mangelten, von einem
einheitlichen Staatswesen nicht mehr gesprochen werden können,
wenn auch anderseits das Dasein solcher Zentralstellen alleın
durchaus nicht genügt, den Gliedern den staatlichen Charakter
abzusprechen.
Solche Dezentralisation gemäß dem Provinzialsystem pflegt
eine umfangreiche Dezentralisation nicht nur der Verwaltung,
sondern auch der Gesetzgebung und der Rechtsprechung zu sein.
Sie begünstigt und erhält dadurch das Sonderleben der also
reorganisierten Teile eines Staates in hohem Grade, Soweit diese
Teile vom Staate organisiert sind, bilden sie demnach nur Ab-
schnitte der dezentralisierten Einheit. Sie pflegen aber meistens
außerdem einen Verband darzustellen, der als solcher dem Staate
gegenüber als Rechtsträger erscheint. In dieser Eigenschaft sind
sie weiter unten zu betrachten.
Die zweite Form der administrativen Dezentralisation ist
heute die normale. Sie besteht in der Organisierung des durch-
wegs mit einheitlichen Zentralbehörden versehenen Staates durch
Mittel- und Lokalbehörden und deren Ausstattung mit selb-
ständigen Verwaltungs- und Entscheidungsbefugnissen, Selbst der
anı stärksten vom Prinzipe der Zentralisation beherrschte Staat
ist genötigt, den Unterbehörden eine selbständige Kompetenz
einzuräumen, da es ein Ding der Unmöglichkeit ist, alle Ver-
waltungsakte gemäß individuell bestimmten Anweisungen der
Zentralbehörden zu erledigen ‘oder sie zur Bestätigung an die