Full text: Aberglaube, Sitte und Brauch im sächsischen Erzgebirge.

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Gegen Augenfluß. Aug,;, ich beschwöre dich bei Gott dem 
Vater, Sohn und h. Geist. Fluß, ich mahne dich, daß du verschwindest 
und nehmest ab wie der Tote im Grab, und nehmest Tag und Nacht 
wie ab, der Körper im Grab. Im Namen pp. (B.) 
Die Befehls= und Anredeform mancher dieser Zaubersprüche zeugt 
deutlich von der Auffassung der Krankheit als eines Dämons, der im 
Namen Gottes angeredet wird und schwinden soll. Die andere mehr 
erzählende Form mit oft legendenhaften Anfängen, wie „Unser Herr Jesus 
ging über Land —“ ist sicher die ältere und ursprünglichere. (Vgl. 
hierzu W. 226.). Aus den mir so zahlreich zur Verfügung gestellten 
Sammlungen gedruckter und mehr noch geschriebener Beschwörungs- 
formeln geht hervor, daß sie sich noch größter Beliebtheit im Volke 
erfreuem. Wie oft hört man auch in gebildeten Kreisen, daß sich jemand 
eine Krankheit „versprechen“ ließ. Ja der Heilerfolg ist nicht einmal an 
die Anwesenheit der kranken Person gebunden. In der Zwickauer 
Gegend geht man mit einem Hemd oder sonst einem Kleidungsstück 
des Kranken zum Wundermann, zur Wunderfrau, die das Hemd unter 
kaum vernehmbaren Worten streicht. Wieder angezogen, bringt es 
Genesung. „Wenn jemand krank ist, besonders an Rheumatismus, so 
trägt man Hemden oder Strümpfe von dem Erkrankten hin, die seemt 
der A dann soll es besser werden“ (Nie. — Mitt. d. V. f. s. V. 
, 318.). 
Eine zweite Form, die als unsichtbaren Stoff gedachte Krankheit 
zu bannen, besteht in der Ubertragung und Ableitung der Krankheit 
aus dem Körper entweder mittelbar oder unmittelbar durch einen Zwischen- 
träger auf andere Dinge, Menschen, Tiere oder Pflanzen (vgl. W. 482). 
Deshalb soll man auf Kreuzwegen oder einsamen Stellen liegende Gegen- 
stände, vor allem wenn sie neu oder eingewickelt sind, nicht aufheben, denn 
es sind darin Krankheiten „versponnen“, wie mir so oft gesagt wurde. 
Man knüpft in eine Schnur so viel Knoten, wie man Warzen hat, und 
legt sie an den Weg. Wer sie aufhebt, bekommt die Warzen (IA.). 
Bei Zahnreißen legt man einen Pfennig auf einen Kreuzweg. Der 
glückliche Finder der Münze nimmt zugleich das Reißen auf sich (J., A.). 
Der mit Schnupfen Behaftete erfaßt unter Hersagung eines Zauberspruches 
die Türklinke. Wer diese nach ihm berührt, bekommt das Ubel (Say. 
482“*). Der an Schweißhänden Leidende soll einer Leiche die Hand geben 
(Ehr.). Ein Zwischenträger ist vorallem ein getragenes Hemd des Kranken. 
Man hält ferner Tiere in der Stube, in dem Glauben, daß sie die 
Krankheit an sich ziehen sollen, so den Kreuzschnabel (s. Seite 53), das 
Meerschweinchen (s. Absch. IX). 
Wie auf Tiere, so sucht man Krankheiten auch auf die Pflanzen- 
besonders auf Bäume durch Verbohren, Verpflöcken und Verwachsen, 
lassen des mit Krankheitsstoffen getränkten Zwischenträgers zu übertragen. 
Unter Beobachtung tiefsten Schweigens schiebt man ein bruchkrankes Kind 
durch den Spalt eines Eich-oder Pflaumenbaumes, worauf dieser straff um- 
bunden wird. Wie sich das Bäumchen verwächst, so soll auch der Bruch 
verwachsen (Schl., A. 491°). Manche Pflanzen sollen die Krankheit un-
	        
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