Full text: Aberglaube, Sitte und Brauch im sächsischen Erzgebirge.

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In einen Bauernhof in der Nähe von Ge. kam eine Frau, die 
ebenfalls in dem schlimmen Verdachte stand, eine Hexe zu sein. Als 
kurz darauf eine Kröte im Stalle erschien, wurde das Tier auf den Rat 
des klugen Mannes hin erbärmlich mißhandelt. Die Frau wurde 
krank und verlangte nach Dünger, den sie unters Kopfkissen gelegt haben 
wollte. Mit dem Tode der Kröte starb auch die Frau. 
Eine alte Frau aus J. erzählte mir: Eines Tages kam eine Hexe 
zu mir und wollte etwas haben. Ich gab es ihr. Dafür verhexte sie 
aber unser Vieh, so daß es nur Blut gab und beim Ausrühren keine 
Butter wurde. Eine Zigeunerin löste den Bann, indem sie in einen 
iweitesn mehrere Knoten band und einen Staubkamm unters Butter- 
aß legte. 
Einem Bauer in Sch. starb manch wertvolles Tier. „Nun was 
willst denn Du?“, so redete ihn der kluge Mann an, als er diesen um 
Rat anging. Auf meine Frage, woher die vertrauliche Anrede komme, 
entgegnete mir der Mann: „Dos is doch weiter nischt, mir nenne doch 
dann liem Gott à alle du.“ Nach Vorbringung des Anliegens hat sich 
der um Rat Gefragte vor ein am Fenster stehendes Tischchen gestellt 
und beim Hinausschauen unverständliche Worte gemurmelt, auf einmal 
aber ausgerufen: „Siste, Du hast recht, die alte Frau in deiner Nach- 
barschaft hat dein Vieh verhext!“ „AUn seit gener Zeit, seit dar der 
Zettel, dan ’r mir mietgob, in menn Stalle liegt, do is mir nischt 
widder passiert.“ So geschehen 1902! Neben veralteten kirchlichen 
Dogmen sind es eben die „weisen Frauen“ und „klugen Männer“, die 
den Hexenglauben immer von neuem anfachen, indem sie, wie die an- 
geführten Beispiele, die sich leicht verzehnfachen ließen, zeigen, Viehkrank= 
heiten und allerlei sonstiges Unheil auf Hexenkünste zurückführen und 
ihre Künste mit einem möglichst mystischen Schleier zu umgeben wissen 
und sich dafür recht gut bezahlen lassen. Um jemanden zu „verhexen“, 
ihm also Unglück zuzufügen, soll man dem Betreffenden drei Knöpfe 
von einem Kleidungsstücke abschneiden (Th.) 
Das männliche Gegenstück zu den Hexen ist der Bilmetschneider 
oder Binsenschnitter. S. unter VIII, Feinde der Saat und der Errnte. 
Verschwindet der Glaube an die mythische Gestalt des Binsen- 
schnitters immer mehr und mehr, so hat sich der Drachenglaube in' 
vollster Reinheit erhalten, der sich in seiner jetzigen Form nach Dr. Mogk 
im späten Mittelalter aus zwei ganz verschiedenen Mythenmotiven ent- 
wickelt zu haben scheint, nämlich aus dem altgermanischen Glauben an 
den schatzhütenden Lindwurm, an dessen Stelle schon im frühesten Mittel- 
alter der Drache getreten ist, und aus spät mittelalterlichem Teufels- 
glauben. Nach jenem wähnte man den Drachen im Besitze großer Schätze, 
von denen man sich durch übernatürliche Mittel einen Anteil verschaffen 
könne, nach dem Teufelswahn aber war man der Uberzeugung, mit dem 
Teufel einen Bund schließen zu können, so daß er dem Menschen ganz 
zu eigen war (Mo.22, S. 304). Gehört demnach der Drachenglaube 
auch nicht unter dieses Kapitel, so sei er ihm doch angereiht. — Daß der 
Teufelsglaube hereinspielt, beweist die im Erzgebirge weitverbreitete
	        
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