Kriegserklärung nach deutschem Völlerrecht. 101
Durch diese Notifikationspflicht sei aber das Wesen der Neutrali-
tät nicht verändert worden; denn diese werde durch die Noti-
fikation nicht erst begründet, letztere habe also keine konstitutive,
sondern nur deklaratorische Wirkung.
Dagegen wird man mit Huber (a. a. O.) der neuen Be-
stimmung in Art. 2 eine weitere Wirkung zuschreiben dürfen.
Da die Notifikation sich nur auf den Krieg beziehe, erkläre
der notifizierende Staat ausdrücklich, daß er zu dem anderen
Staate in ein Kriegsverhältnis eingetreten sei. Unterlasse er es
aber nur zu notifizieren, so seien die unbeteiligten Staaten
nicht zur Beobachtung der Neutralität verpflichtet, da sie anneh-
men müßten, es handle sich um Gewaltanwendung aufßer-
halb des Krieges — um Friedensblockade und dergleichen —
nicht aber um Kriegshandlungen. Würde sich nun ein Staat,
der nicht notifiziert hat, über die Neutralitätsverletzung be-
schweren, so müsse er nicht nur nachweisen, daß der neutrale
Staat doch von dem Kampfe Kenntnis gehabt habe, sondern
auch, daß dieser die bisher vorgefallenen Gewaltmaßregeln als
solche des Krieges habe erkennen müssen. Von dieser Be-
weisführung wird sich m. E. der notifizierende Staat auch nicht
durch den Hinweis auf die etwa erfolgte Kriegserklärung, die
doch den unbeteiligten Staaten (nach seiner Ansicht) nicht habe
unbekannt bleiben dürfen, befreien hönnen.
Wie Lémonon:) zusammenfassend ausführt, wird durch
diese Bestimmung in Art. 2 den beiderseitigen Interessen ge-
nügend Rechnung getragen: Dem Interesse der Neutralen, die
vom Kriegszustand benachrichtigt werden müssen, und dem
Interesse der Kriegführenden, die darüber zu wachen haben,
daß die Neutralen nicht von ihrer Neutralität abgehen. Die
Interessen der Neutralen werden geschützt durch den Abs. 1
des Art 2, der bestimmt einerseits, daß der Kriegszustand unver-
züglich den anderen Staaten mitzuteilen ist, und andererseits,
daß dieser Kriegszustand für sie erst wirksam wird nach Ein-
gang der offiziellen Benachrichtigung. Die Interessen der Krieg-
führenden werden geschützt zunächst durch Abs. 2 des Artikels,
der die allzuweite Fassung des Abs. 1 einschränkt, indem er
bestimmt, daß die neutrale Regierung, die durch irgendwelche
1) A. a. O. S. 404.