Kriegserklärung nach deutschem Völkerrecht. 113
Kraft haben sollen, so ist trotz des in solchen Konventionen den
Signatarmächten eingeräumten Kündigungsrechtes in der Regel
an einen wirklichen Gebrauch dieses Rechtes nicht zu denken.
Im Gegenteil ist anzunehmen, daß die in solchen Konventionen
aufgestellten Rechtssätze nach und nach auch von denjenigen
Staaten anerkannt und angenommen werden, welche den Kon-
ventionen zunächst nicht beigetreten sind. Auf diese Weise werden
solche Rechtssätze Bestandteile der Völkerrechtsordnung, wie z.
B. das Verbot des Sklavenhandels, und sind dann ohne wei-
teres für jeden der völkerrechtlichen Gemeinschaft angehörenden
Staat bindend.“
II. Die Frage des Geltungsbereiches der Kriegserklärung
ist mit der subjektiven Seite noch nicht erschöpft; es gilt noch
weiter festzustellen, in welchem Umfange die Regeln bezüglich der
Kriegserklärung anwendbar sind auf Feindseligkeiten, die zwar
keinen Krieg begründen, die aber mehr oder weniger ernsthaften
Charakters sind, wie Repressalien, Friedensblockade usw. Dieser
Unterscheidung liegt die weitere Frage zu Grunde: Kann man
überhaupt einen juristischen Unterschied zwischen dem eigent-
lichen Kriege und den anderen Zwangsmitteln des Völkerrechts
machen?
Das Studium der Praxis zeigt, daß die Staaten sich sehr
häufig über den Charakter einer feindseligen Handlung streiten,
insbesondere da jeder Staat das Bestreben hat, die gegen ihn
gerichtete Zwangshandlung als feindliche, Kriegerische Unter-
nehmung darzustellen. So Rhann die geringste zweifelhafte Unter-
nehmung eines Staates von dessen Gegner als Feindseligkeits-
akt angesehen werden, der gestattet, den wirklichen Krieg er
abrupto zu beginnen. Es gilt deshalb die Feindseligkeitsakte,
die einen Rriegerischen Charakter tragen und demgemäß im
Stande sind, ipso kacto den Kriegszustand zu eröffnen, von
denjenigen Zwangsmitteln zu unterscheiden, die zur Anwendung
komme: können, ohne daß dadurch der Friedenszustand unter-
brochen wird. 1)
Als Feindseligkeitsalt sehen wir mit Bellate) jede regu-
läre, von einem Staate unternommene Handlung an, durch die
gewöhnlich der Krieg begonnen wird, und dic wiederum zum
1) Vgl. hierzu Bellat S. 107 ff. 2) S. 110.
Jory, Kriegserklärung und Friedenssoluß. 8