16 1. Tl. Kriegserklärung u. Friedensschluß n. deutsch. Staatsrecht.
ist aber noch keineswegs ausgesprochen, daß der Kaiser unbe-
schränkte Vertretungsmacht in allen Fällen besitzt. Vielmehr
ist auch für den Umfang derselben die Verfassung maßgebend.
Dies ist ein in der Literatur allgemein anerkannter Grundsatz.
Die völkerrechtlichen Autoritätrten von Hugo Grotius bis
zur Gegenwart geben die Möglichkeit einer derartigen Legiti-
mationsbeschränkung des Staatsoberhauptes mit Wirkung nach
außen durch die Verfassungsbestimmungen zu. 1) Sie alle leh-
ren, daß Beschränkungen, welche eine Verfassung dem Ver-
tretungsorgan auserlegt, auch im Verkehr der Staaten zu be-
achten seien, so daß z. B. Verträge, welche unter Verletzung dieser
einschränkenden Bestimmungen abgeschlossen sind, eine völker-
rechtliche Verbindlichleit für diesen Staat nicht begründen. So
sagt beispielsweise schon G. F. v. Marte us: C'est à la con-
stitution positive de chaque Etat à déterminer jusqu'a quel
point le monarque dans les monarchies ou tel conseil dans
les républiqgues pourra seul obliger la nation par les
traités qu’il signe ou qu’il autorise des Subalternes à signer.
— Ce qdue promet le chef ou le subalterne au de Kà des bornes
de l’autorite du’il lui est confiée n'est qufune simple sponsion,
du, un consentement subséquent, soit expreès Soit tacite, de la
nation, rend seul obligatoire pour elle.“ )
Auch die deutschen Staatsrechtslehrer, selbst diejenigen, die
speziell für das Deutsche Reichsstaatsrecht eine derartige Legi-
timationsbeschränkung leugnen, wie Laband, erkennen die
Möglichkeit einer solchen Legitimationsbeschränkung an. Ob nun
überhaupt eine solche mit völkerrechtlicher Wirkung, d. h. mit
Wirkung gegenüber anderen Staaten durch die R. V. normiert
ist, und in welchen Fällen sie eintritt, ist streitig, aber m. E., wie
die folgende Untersuchung zeigen soll, zu bejahen.
1) Siehe die einzelnen Aussprüche bei Proebst in Hirth's Annalen S. 266ff.
4) Precis du drolt des gens modeme S. 95.
) Ebenso Vattel, le droft des gens, Ubre II c. 12 §8 152 ff.; Heffter,
Das europäische Völkerrecht 1867 S. 161 ff. Insbesondere auch Bluntschli,
Das moderne Böllerrecht S. 113, 233, 238 ff.