1. Kapitel: Kriegserklärung nach deutschem Staatsrecht. 35
der Kriegserklärung erteile und nicht etwa vorschreibe, daß
dieses Recht dem Bundesrat oder dem Kaiser und Bundesrat ge-
meinschaftlich zustehe, es sei denn, daß ein Angriff auf das
Bundesgebiet oder dessen Küsten erfolge, in welchem Falle der
Kaiser allein den Krieg erklären dürfe. Diese formelle Be-
gründung, auf die insbesondere Arndt (S. v704) seine An-
sicht stützt, beruht, wie bereits gezeigt, auf einer Verkennung
der Bedeutung des Abs. 1 in Art. 11, denn nach Einführung
des Abs. 2 ist in Abs. 1 lediglich die Befugnis zur Abgabe der
Kriegserklärung an den fremden Staat, nicht aber die Frage
der Kriegbeschließung zum Ausdruck gebracht.
b) Auch der materielle Grund, den Arndt anführt, ist
m. E. nicht zutreffend: da der Kaiser allein über die Kriegs-
mittel verfügt, könne er auch einen Krieg tatsächlich beginnen.
Dies ist insofern richtig, als der Kaiser als oberster Kriegsherr
zur Kriegführung als solcher, insbesondere zur Mobilmachung
des Heeres berechtigt ist; Voraussetzung für dieselbe ist aber
stets, daß der Krieg verfassungsmäßig beschlossen ist, sei es
durch den Kaiser allein, sei es durch Kaiser und Bundesrat
zusammen gemäß Art. 11 Abs. 2.
Aehnlich, aber ausführlicher hat Laband (a. a. O.) sich
bei Darlegung seiner Ansicht bezüglich der Gültigkeit von
Staatsverträgen über die Frage der Giültigkeit der Kriegser-
klärung ausgesprochen. Sein Standpunkt ist folgender: „Der
Kaiser würde sich nach Art. 11 Abs. 2 ohne Zweifel einer
Ueberschreitung seiner staatsrechtlichen Befugnisse schuldig machen,
wenn er, abgesehen vom Falle eines Angriffs auf das Bundes-
gebiet, im Namen des Reiches einen Krieg erklären würde,
ohne die Zustimmung des Bundesrates eingeholt zu haben. Aber
würde in diesem Falle die Kriegserklärung völkerrechtlich ungül-
tig sein: Wäre der Krieg etwa ein Privatunternehmen des
Kaisers, für welches das Reich die Verantwortlichkeit ab-
lehnen könnte? Würde irgend jemand der Deduktion Gehör
schenken, daß der fremde Staat ja wissen müsse, daß der
Kaiser nicht berechtigt sei, ohne Zustimmung des Bundesrates
den Krieg zu erklären, daß deshalb eine solche Kriegserklärung
nichtig sei, daß die vom Kaiser in Kriegsbereitschaft gesetzten
und in das feindliche Gebiet geführten Truppen nicht als die
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