36 1. Tl. Kriegserklärung u. Friedensschluß n. deutsch. Staatsrecht.
Armec eines Kriegführenden Staates anzusehen seien usw.? Der
Abs. 2 läßt eine andere Auslegung nicht zu, als daß er zwar
eine staatsrechtliche Beschränkung des Raisers mit rechtlicher
Wirkung nach innen, nicht aber eine Beschränkung der im Abs. 1
erteilten völkerrechtlichen Vertretung mit Wirkung nach außen
enthält.“ Gegen diese Beweisführung Labands ist folgendes
zu erwidern: Daß die Kriegserklärung, dic gegen oder ohne den
Willen des Bundesrats erfolgt, auch „völkerrechtlich“ ungültig
sein kann, diese Möglichkeit wird selbst von Laband nicht be-
stritten. Und wenn sie besteht, so kann sie nicht lediglich durch die
Behauptung vernichtet werden, sie sei aus dem Grunde un-
praktisch, weil man vom fremden Staate unmöglich die Kennt-
nis von der beschränkten Stellung des Kaisers hinsichtlich des
Kriegsrechtes verlangen könne. Freilich wird man hierbei auch
nicht zu weit gehen und dem fremden Staate nicht die schwierige,
ja, da die Sitzungen des Bundesrates nicht öffentlich sind, un-
mögliche Prüfung auferlegen dürfen, ob der Bundesrat seinen
Beschluß gemäß den in Art. 7 R. V. aufgestellten Vorschriften
gefaßt hat. Es wird genügen, wenn der Kaiser die Zustimmung
des Bundesrates als erteilt erwähnt, denn so viel Vertrauen
darf die Leitung der auswärtigen Politik sowohl von dem
fremden Staate als auch von den eigenen Untertanen bean-
spruchen Eine ausdrückliche Erklärung des Bundesrates, daß
er seine Zustimmung verweigert hat, 1) halte ich für unzu-
lässig, da dem Bundesrat in Neiner Weise ein Recht zusteht,
in die völkerrechtlichen Verhandlungen cinzugreifen.) Der
Gegner, dem ein etwaiger Widerspruch des Bundesrates bekannt
wird. kann aber diesen berücksichtigen, solange die tatsächlichen
Verhältnissc dies noch gestatten und Feindscligkeiten noch nicht
erfolgt sind.
Macht nun aber der Kaiser von seinem Recht als oberster
Kriegsherr gemäß Art. 63, 53 R. V. Gebrauch und gibt seinen
Truppen den Befehl zum Angriff, so ist dies kein Privatunter-
nehmen des Kaisers, denn da es bis 1907 keinen deutschen
noch allgemeinen völkerrechtlichen Grundsatz gegeben hat, der
eine Kriegserklärung für obligatorisch erklärte, so eröffnet er
1) Wie Proebst S. 294 sie verlangt.
2) Ebenso Laband, 5. Aufl. 1 S. 229; H. Schulze, 1. S. 44.