88 1. Tl. Kriegserklärung u. Friedensschluß n. deutsch. Staatsrecht.
der Kriegserklärung entzogen, ) während die schweizerische Bun-
desverfassung:) die Bundesversammlung, welche gebildet wird
aus den vereinigten gesetzgebenden Räten — Nationalrat und
Staatsrat — zu Kriegserklärungen kompetent ertklärt.
2) Auch die Einwendungen, die gegen eine Beteiligung der
Volksvertretung an Beschlüssen über Krieg und Frieden er-
hoben werden — so insbesondere der Einwand, die Einräumung
eines Mitbestimmungsrechts der Volksvertretung an diesen Be-
schlüssen wäre „teilweise Verlegung der Regierung in den ge-
setzgzebenden Körper, und würde, wenigstens im alten Europa
die höchsten Interessen des Staates, der das täte, in schwere
Gefahr bringen,'!) — treffen, wie Proebst S. Kgr hervor-
hebt, bezüglich der Beteiligung des Bundesrates, dessen Be-
ratungen nicht öffentlich sind, an diesen Beschlüssen nicht zu.
Denn dieser ist in der Lage, die „stille Ueberlegung und ruhige
Prüfung der Verhältnisse und Aussichten“, sowie „die Ein-
heit des Willens und rasche Durchführung der gefaßten Be-
schlüsse“ zu garantieren, was allerdings in der schwerfälligen
und zugleich von Parteien bewegten Kammerverhandlungen aus-
geschlossen ist.
Daß in der Tat ein Mitwirkungsrecht der Volksvertretung
unvorteilhaft und es nützlicher und praktischer ist, das Recht
der Kriegserklärung der „Exekutivgewalt“ anzuvertrauen, hat
bereits Mirabeaut) in der konstituierenden Nationalver-
sammlung von 1790 zu beweisen versucht. ) Sowohl die
déliberation, deren Haupteigenschaften la clarté et le calme
sind, sowie die exécution, zu der unitö des vues, promtitude
et secret erforderlich sind, Eigenschaften, die sie erst erfolgreich
gestalten, setzen ein weniger zahlreiches Organ, wie es beispiels-
weise das Ministerium ist, voraus. Bei einer gesetzgebenden
Körperschaft kann freilich von diesen Erfordernissen keine Rede
1) Bluntschli begründet diese Verteilung damit: Das republikanische
Staatsrecht habe eine Scheu davor, eine so unbeschränkte Macht in die Hand der
Regierung zu legen. — Sodann ist der Gedanke in Betracht zu Fiehen, daß die Ver-
einigten Staalen die einzige Großmacht ihres Kontinents sind.
2) Verf. v. 29. Mai 1874 Art. 85 Nr. 6.
s) So Blunischli, Allg. Staatsrecht II. 1863.
4) Dlscours du 21. Mai 1790 à I'Assemblee constitusnte, bei Salnte
Crolx S. 54 ff. 5) Ugl. Sainte Crolx S. 62 ff.