2. Kapitel: Friedensschluß nach deutschem Staatsrecht. 43
nach den einleitenden Vertragsverhandlungen (Friedensverhand-
lungen) im Austausch der Ratifikationsurkunden äußert, ist ein
Ausflußrecht der völkerrechtlichen Vertretungsbefugnis und als
solches im § 3 bereits genügend gekennzeichnet. Sie steht ge-
gemäß Art. 11 Abs. 1 R. V. dem Kaiser zu.
Während dieser Satz in der Literatur allgemein anerkannt
wird, ist nun die Frage, welches Organ des Reiches, der Kaiser
für sich allein oder nur in Verbindung mit den gesetzgebenden
Faktoren — Bundesrat und Reichstag — 1), als Contrahent
zur Willensbildung eines Staatsvertrages, speziell eines Frie-
densvertrages berufen ist, streitig. Uns interessiert aber diese
Frage nur dann, wenn wir festgestellt haben, daß überhaupt
bei Friedensverträgen eine Mitwirkung von Bundesrat und
Reichstag verfassungsrechtlich erforderlich ist.
Daß diejenigen Friedensverträge, welche bloß die Einstellung
der Feindseligkeiten, Räumung des feindlichen Gebietes, Aus-
lieferung von Gefangenen zum Inhalte haben und keine weite-
ren Bestimmungen enthalten als solche, die eine Wiederherstellung
der friedlichen Ordnung auf der Basis des früheren Rechtszu-
standes betreffen, vom Kaiser selbständig und gültig abgeschlossen
werden können, wird in der Literatur von niemandem bestritten.
Es fragt sich demnach hier: Ist für diejenigen Friedensverträge,
deren Inhalt in das Gebiet der Gesetzgebung eingreift, eine Mit-
wirkung von Bundesrat bezw. Reichstag ebenso wie bei den
übrigen Staatsverträgen mit gleichem Inhalte gemäß Art. 11
Abs. 3 erforderlich, oder können auch solche Friedensverträge,
welche Materien der Gesetzgebung normieren, vom Kaiser allein
abgeschlossen werden? Beantworten wir diese Vorfrage im letz-
teren Sinne, so fällt die oben aufgestellte prinzipielle Frage nach
der rechtlichen Natur der Mitwirkung der gesetzgebenden Organe
bei Staatsverträgen hier naturgemäß ganz aus. Entscheiden wir
aber die Vorfrage im ersteren Sinne, so werden wir auf die
Hauptfrage näher einzugehen haben.
I. Beide Ansichten sind in der Literatur vertreten und zahl-
reiche Gründe für und wider geltend gemacht worden. Die erste
Ansicht, welche Friedensverträge überhaupt von der einschrän-
1) Aicht diese beiden leyteren allein, wie bei der Reichsgesetzgebung gemäß
Art. 5 N. V.