Einleitung.
Die Völkerrechtsgemeinschaft wird von Staaten, d. h. von
souveränen Gemeinwesen gebildet.1) Nur diese besitzen als Glie-
der dieser Gemeinschaft die Rechtsfähigkeit, d. h. die Fähig-
keit, Träger von völkerrechtlichen Rechten und Pflichten zu
sein. Sie sind die Rechtssubjekte des Völkerrechts. :) Wohl sind
Beziehungen von Einzelpersonen zu fremden Staaten und deren
Untertanen möglich, ja sogar notwendig und heute unentbehr-
lich, sie haben aber nur Rechtsbeständigkeit, soweit die betei-
ligten Staaten diese Verpflichtungen gegenseitig anerkennen und
schützen.
Diese Beziehungen von Einzelpersonen verschiedener Staa-
ten, die unter dem Schutze der letzteren bestehen, beschränken
sich auf den friedlichen Verkehr, der von alters her, wenn auch
ursprünglich in recht geringem Umfange, durch sogen. Frie-
dens- und Freundschaftsverträge unter den Staaten zur Förde-
rung der gegenseitigen Interessen ihrer Untertanen aufrecht
erhalten wird. Dagegen sind Zwangs= und Gewaltmaßregeln
von Seiten einzelner Personen sowohl im Innern eines Staates
als auch im Staatenverkehr verboten und den Staaten als ein-
1) Voraussetzung für die Mitgliedschaft überhaupt ist die gegenseitige Aner-
kennung bezw. die Anerkennung eines Siaatswesens als solchen durch die anderen
Staaten. Diese Anerkennung ist aber kein Rechtsakt, sondern gibt lediglich die Mög-
lichkeit völkerrechtliche Rechtshandlungen vorzunehmen.
2) Vergl. z. B. o. Liszt, Das Völkerrecht 1910. § 6 S. 50; Ullmann,
Das Völkerrecht 1908. — Dieses von den Staaten als Mitgliedern dieser Gemein-
schaft gesetzte Recht entsteht nur als das Recht eines oder mehrerer bestimmter Staaten.
So gibt es deutsches, englisches usw. Völkerrecht. Es ist zu definieren als der In-
degriff derienigen Rechtsnormen, „durch welche Tatbestände geregelt werden, an denen
irgend ein Moment zwischenstaatlich ist, von einem Staat in einen anderen hinüber-
greift“. Pohl, Deutsche Prisengerichtsbarkeit S. 3. Diese Rechtsnormen entstehen
immer nur als solche eines bestimmten Staates und sie gelten nur, weil und solange
sich dieser an sie bindet. „Nur für jeden einzelnen Staat läßt sich ein Satz des
positiven internationalen Rechts als geltend nachweisen". Pohl a. a. O. So sagt
Jellinek (Rechtl. Natur S. 46): „Die Normen des Völkerrechts, d. h. diejenigen
Iooy, Krlegserkldrung und Friedensschluß. 1