Full text: Kriegserklärung und Friedensschluß nach deutschem Staats- und Völkerrecht.

70 2. Tl. Kriegserklärung u. Friedensschluß n. deutsch. Völkerrecht. 
derartige gewohnheitsrechtliche Verpflichtung zur Kriegserklä- 
rung nicht behauptet werden. Seit seiner Gründung hat das 
Deutsche Reich (der Norddeutsche Bund) nur einen großen Krieg 
den deutsch-französischen, 1870-71 geführt, dieser wurde ihm von 
Frankreich erklärt. 
Da somit keine Rechtsnormen, weder positive (vertragliche) 
noch gewohnheitsrechtliche, den Staaten die Pflicht zur vorhe- 
rigen Kriegserklärung auferlegten, Konnte jeder Staat nach sei- 
nem Gutdünken ohne oder unter Anwendung einer vorherigen 
Anzeige Krieg beginnen. 1) 
Ebenso ist eine solenne Form der Kriegserklärung, wie sie 
im Altertum und im Mittelalter üblich war, in der Nenzeit 
nicht mehr beobachtet worden. 
2. Wie die Kriegserklärung seit Ausgang des Mittelalters 
bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts in der Staaten-Praxis 
zwar sehr häufig, aber doch nicht regelmäßig angewendet wurde, 
so ist auch die Frage, ob eine solche überhaupt notwendig sei, 
in der Theorie streitig geblieben. Die Völkerrechtslehrer der 
letzten Jahrhunderte:) haben sich teils für, teils gegen die 
Notwendigkeit einer solchen ausgesprochen. Nach der Natio- 
nalität, der die einzelnen angehören, unterscheidet man eine 
Rontinentale und eine englische Doktrin. 
a. Letztere umfaßt die Gegner der Kriegserklärung.) 
Ihre Zahl ist, je mehr wir uns der Neuzeit nähern, entsprechend 
dem Gebrauch der Praxis geringer geworden. Sie vertreten die 
Ansicht, es bestände keine juristische Verpflichtung zur Abgabe 
einer Kriegserklärung: als einfache Tatsache der Publizität 
könne sic ersetzt werden durch jeden anderen Akt, der den 
Zustand der Kriegführung notorisch macht. Sie stützen ihre An- 
1) Diese Ansicht wurde auch auf der ll. Haager Konferenz von dem russischen 
General Yermolow in der 1. Sitzung der lI. Kommission vom 22. Juni 1907 
(Actes et documents Ill S. 5 ff.) und von dem Niederländer den Beer Portugal 
in der 2. Sitzung der 2. Unterkommission der II. Kommission vom 5. Juli (Actes 
et documents III S. 166 I) vertreten. 
2) Bereits Grotius und Bynkershoek haben über die Notwendigkeit 
einer vorherigen Benachrichtigung geschrieben. 
3) Sie wird neuerdings auch von den Japanern vertreten. So z. B. von 
Nagaoka, Etude sur la guerre Russo-lapanalse au point de vue du droit 
Iinternational in Revue générale de droft international public 1905 XII S. 608f. 
 
	        
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