Kriegserklärung nach deutschem Völkerrecht. 71
sicht damit, daß sie sagen, die Kriegserklärung sei eine unnütze,
unwirksame und unkluge Formalität und stehe im Widerspruch
mit dem Begriff der Unabhängigkeit und Souveränität der
Staaten. 1)
a. Unnütz sei eine Kriegserklärung deshalb, weil der erste
Feindseligkeitsakt in einem Konflihkt genüge, um den Ueber-
gang vom Friedens= zum Kriegszustand zu markieren. Eine
solche Formalität den Nationen aufzuerlegen, sei ebenso unnütz
und unmöglich, wie ihre Streitigkeiten einem Schiedsgerichts-
hof zu unterwerfen, besonders da sie nicht zum Zwecke habe,
dem Feinde Zeit und Gelegenheit zu geben, sich in Verteidigungs-
zustand zu setzen.“ 2) Jeder Feindseligkeitsakt stelle an sich eine
vollgültige Erklärung der Absicht dar und sei durchaus geeignet,
das Datum des Hriegsbeginnes anzugeben.
Dagegen läßt sich einwenden, daß die Kriegserklärung weit-
aus geeigneter und wirksamer ist, die Tatsache des Kriegszu-
standes offennundig zu machen; denn bei deren Anwendung
wird es sowohl für die Kriegführenden als auch für die Neu-
tralen ein leichtes sein, wirkliche Feindseligkeitsakte von solchen
Handlunger zu unterscheiden, die nur eine schlechte Behandlung
oder eine Beleidigung darstellen und auf Grund deren man unter
Aufrechterhaltung des Friedens Genugtuung fordern kann.
8. Ein zweiter Fehler der Kriegserklärung sei ihre völ-
lige Unwirksamkeit, denn man lasse ihr doch unmittelbar die
Feindseligkeiten folgen, oder sogar vorausgehen.
Welche Wirkung hönne sie in einem solchen Falle haben,
da nicht erst die Kriegserklärung, sondern bereits der erste
Feindseligkeitsakt den Kriegszustand begründe. Und könne man
andererseits etwa behaupten, daß durch die bloße Kriegser-
klärung, der kein Feindseligkeitsaht folge, das Kriegs= und
Neutralitätsrecht in Geltung gesetzt würde? Die rechtlichen Wir-
kungen, die scheinbar an die Kriegserklärung geknüpft würden,
seien doch nur die Folge der kriegerischen Akte.
Es kann einerseits zwar nicht geleugnet werden, daß die
Kriegserklärung wirkungslos, d. h. ohne rechtliche Bedeutung
ist, wenn ihr bereits Feindseligkeiten vorausgegangen sind, da
1) Vgl. Féraud- Giraud S. 27f/.; Blin de Bailleul S. 127f.;
Eben, a. a. O. S. 188 f. 2) So Hall S. 391.