222 I. 2. Revolution und Fremdherrschaft.
reisender Sohn der Rache des Corsen preisgegeben sei, und eilte dann
mit seinem Heere von den betrogenen Oesterreichern hinüber zu den Fran-
zosen. Im bairischen Volke hatte Niemand ein Auge für die Niedertracht
des Hofes. Der alte Stammeshaß gegen die kaiserlichen Kostbeutel, das
alte nur allzusehr gerechtfertigte Mißtrauen gegen die Begehrlichkeit der
Hofburg erwachten von Neuem; jubelnd vernahm die tapfere kleine Armee
den Aufruf des Imperators: Ihr kämpft für die ersten Güter der Na-
tionen, für Unabhängigkeit und politisches Dasein! Baden und Darm-
stadt schlossen sich an, nach einigem Zaudern auch Württemberg; alle die
vier Mittelstaaten, welche Napoleon bereits als die Stützen „meines
künftigen deutschen Bundes"“ bezeichnete, standen in seinem Lager.
Auch Preußen dachte er durch einen plumpen Betrug zu gewinnen.
Er ließ in Berlin den Erwerb von Hannover anbieten, wenn Preußen
dafür das rechtsrheinische Cleve mit Wesel abträte und an dem Kriege
gegen die Coalition theilnähme. Die preußische Monarchie sollte also mit
Oesterreich und Rußland brechen, sie sollte ihre letzte Position am Rheine
räumen und sich freiwillig in den Osten zurückschieben lassen, sie sollte
Italien, die Schweiz und Holland dem Welteroberer preisgeben: — denn
ausdrücklich behielt sich Napoleon die freie Verfügung über diese Länder
vor; er sah die Zeit schon kommen, da die Holländer ihrer Einsamkeit
müde werden und die Vereinigung mit Frankreich fordern würden. Und
für alle diese Opfer bot man dem Könige nichts als jenes Hannover,
das, unter solchen Umständen erworben, nur durch einen langen Krieg
gegen England behauptet werden konnte! Mit unverantwortlichem Leicht-
sinn ging Hardenberg auf diese Zumuthungen ein; dringend rieth er zum
Anschluß an Frankreich. Nur der gebotene Preis genügte ihm nicht, viel-
mehr hoffte er durch Napoleon's Hilfe außer Hannover auch Böhmen und
Sachsen zu gewinnen. Allein die Nüchternheit des Königs bewahrte den
Staat vor einem verderblichen Schritte, der jede Verständigung mit den
Ostmächten, jede gemeinsame Erhebung gegen das napoleonische Weltreich
für immer zu verhindern drohte. Friedrich Wilhelm wies das französische
Bündniß zurück, doch er erfuhr alsbald die Wahrheit der Worte des großen
Kurfürsten, daß Neutralität für diesen Staat das undankbarste aller poli-
tischen Systeme sei. Denn während Napoleon durch neue Verhandlungen
eine für Frankreich vortheilhafte Neutralität zu erwirken suchte, sah man sich
zugleich von Osten her bedrängt. Czar Alexander kündigte in unverblümten
Drohungen den Durchmarsch seiner Russen an; der König that was die
Ehre gebot, setzte einen großen Theil seines Heeres auf den Kriegsfuß
und versammelte die Truppen an der Warthe. Erschreckt stand der Czar
von dem Friedensbruche ab, zur Verzweiflung Czartoryski's, und sein
thörichtes Vorhaben hatte nur die Folge, daß die Vereinigung seiner Armee
mit den österreichischen Bundesgenossen sich noch mehr verspätete.
In dieser unhaltbaren Stellung, mit Frankreich nicht im Reinen,