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und befahl Dr. Schwesinger, auf diese zu achten.
Unteroffizier Weinberger erhielt Befehl, auf Süden
und auf Westen zu achten; ich selbst nahm den linken
Flügel. Die Abtheilung unter Fricke und Jurock
war in einer kritischen Lage; die Waganda und
Suaheli hielten aber hier vorzüglich stand. Nach
etwa 10 Minnten langem Schießen der feindlichen
Schüßenlinien rannten die im Nordwesten stehenden
Haufen brüllend herbei, und im ganzen Umkreise
stürmte Alles schießend und brüllend heran, während
aus dem Quikurn ein wüstes Schießen begann, das
aber den eigenen Leuten gefährlicher war als uns.
Ich befahl auf allen Seiten eine Salve, dann Schuell-
seuer. Die Speerträger wurden auf etwa 40 Meter,
alles Uebrige auf durchschnittlich 130 Meter, fast
augenblicklich mit beträchtlichem Verlust in die Flucht
gejagt; der Araber war verschwunden. Ich hatte
einen Todten und vier Verwundete. Die Bewegungen
Dr. Schwesingers, sowie die Geschützführung des
Unteroffiziers Weinberger und des Lazarethgehülsen
Jurock hatten sich in Anbetracht der kaum gedrillten
Soldaten durch Kaltblütigkeit und Exaktheit aus-
gezeichnet.
Nunmehr zog ich Alles ein und richtete Stellung
() für die Nacht ein.
Bei Einbruch der Dunkelheit ließ ich Laufgräben
(d) ausheben. Da wir Alle sehr erschöpft waren,
sandte ich Feldwebel Fricke mit einer Abtheilung
auf Umwegen nach Tabora, der am nächsten Morgen
vor Sonnenausgang mit einigen Lebensmitteln wieder
kam. Die Truppe war 24 Stunden ohne Wasser,
Nahrung und fast auch ohne Schlaf gewesen; der
Graben war 80 m lang ausgehoben. Den Tag über
(11. Januar) wurde daran weiter gearbeitet.
Unsererseits schossen nur die Europäer und die
besten Sudanesen-Schützen hinter aus Sandsäcken
hergestellten Scharten. Als der Graben auf 30 m
an die Boma heran war, ließ ich zum größeren
Schutze der Arbeiter einige Granaten in jene Rich-
tung werfen. Infolge eines Nohrkrepirers wurden
dem neben mir schießenden Sudanesen Abdalla Hafif
Mohamed beide Arme und das Gewehr zertrümmert.
Geschützseuer daher eingestellt. Um 4 Uhr erfolgte
wiederum ein Ausfall von allen Seiten, aber dies-
mal mit weit weniger Leuten. Etwas kritisch wurde
nur der Angriff im Süden und Süd-Osten, indem
ein eiwa 100 Mann starker Trupp infolge des
schlechten Schießens der Manyema-Rekruten bis an
den Hügel (II) gelangte. Die Manyema waren voll-
ständig wild geworden, stimmten ihr Kriegsgeheul
an und stürmten, trotzdem der sie kommandirende
Europzer einige mit dem Kolben zu Boden schlug,
wie rasend aus den Gräben heraus auf den Feind.
Derselbe lief zwar nach einem momentanen Hand-
gemenge im Busch südöstlich davon, die Manyema
kehrten aber nicht eher zurück, als bis sie fast alle
ihre Patronen verknallt hatten. Auf den Kwihara-
Hügeln zeigte sich ein Haufen Leute, die aber nach
Empfang einer Granate verschwanden.
In der darauf folgenden verhältnißmäßigen Ruhe
wurde abgekocht; die Sudanesen mußten zum Essen
gezwungen werden, da sie trotz 36 stündigen Hungerns
beschlossen hatten, nichts zu essen, bis „Sike kaputi“.
Um Mitternacht war der Laufsgraben ferlig.
Bis 1 Uhr ließ ich Alles, so gut es gehen wollte,
ausruhen. Das Trommeln und Singen war ver-
nehmbar schwächer geworden, nicht das Schießen.
Um 1 Uhr rückie die Truppe in den Lausgraben,
Wanyamwesi und Waganda als die am wenigsten
Sicheren voran, zuletzt die Manyema; der ganzen
Sache Halt gaben die Sudanesen in der Mitte.
Kurz nach 1 Uhr trat ein schwerer Plabregen ein,
der bis 5 Uhr dauerte. Obgleich die Kälte höchst
niederschlagend auf die Leute wirkte, war der strö-
mende Regen doch vortheilhaft, und unter dem Schuß
desselben legte ich eine Abtheilung Wanyamwesi und
Waganda unter Feldwebel Fricke an die Boma,
die dieselbe einzureißen begann. Da diese Abtheilung
dentliche Symptome von Furcht zeigte, verstärkte ich
sie durch die Snaheli unter Jurock. An der Spitze
des Grabens war ich mit den Leitern, Unteroffizier
Weinberger mit dem Geschütz in der Mitte;
Dr. Schwesinger mit Mihran Effendi an der
Quene. Die Kälte wurde unerträglich. Um 4½/ Uhr
gab ich das Signal zum Sturm und sprang mit
den Sudanesen unter Hurrah vor; die schwankenden
Manyema brachte Dr. Schwesinger durch möglichst
energische Mittel nach. Ombascha Ali Kalil war der
Erste nach mir auf der Boma, nachdem ich eine
Oessnung oben geschaffen; unter kräftigster Mit-
wirkung der Europäer war bald Alles innerhalb des
Bomagürtels. Während ich Dr. Schwesinger
einen Durchbruch für das Geschüß schaffen ließ, ent-
wickelte sich zwischen Boma und erster Tembe ein
wirres Gedränge, in dem das Geschütz Sikes erobert
wurde. Wir rannten an die Tembewand, steckten
die Gewehre durch die Schießlöcher und zündeten
mit Petroleumfackeln das Holzwerk der Tembe an,
um die Insassen durch Rauch zum Verlassen des
Inneren zu zwingen. In diesen wenigen Minnten
waren zwischen Boma und Tembe Mihrau Esfendi
und ein Soldat gefallen, 12 Soldaten zumeist schwer
verwundet worden. Nachdem ich die Leiter an den
ersten Tembengüurtel hatte anlegen lassen, wurde
dieielbe, Dr. Schwesinger an der Spitze, erstiegen.
Die ausgehende Sonne erhellte die Sitnation.
In einem dicht gedrängten Haufen setzte ich den
letzten Sturm an, der mit Marsch-Marsch Hurrah!
über den ersten durch den zweiten Tembenring ging
und durchs zerbrochene Thor in die innerste Tembe
eindrang. Einige wenige slüchtende Feinde wurden
hier noch niedergeschossen. Als ich an der Haupt-
Barasa die schwere, arabische Thür einschlagen ließ,
erfolgte inwendig eine heftige Pulverexplosion, die
das Tembedach aufwarf. Nach einer zweiten De-
tonation ließen sich nur noch schwache Patronen=
explosionen hören, Sike hatte sich, seine Familie
und seine Schätze durch Anzündung seines Pulver-