Während der Zeit seiner Anwesenheit hat der
Gonverneur verschiedentlich die Gelegenheit gefunden,
in alten Stammesfehden das entscheidende Wort zu
sprechen, und ist sein Richterspruch unweigerlich von
den Parteien anerkannt worden.
Da er verschiedene Gebirgsdörfer besucht, von
Morgen bis zum Abend das Leben und Treiben
der Bewohner mitangesehen und die Nächte in ihrer
Mitte zugebracht hat, so hat er Beobachtungen über
den Charakter und die Anschauungen der Eingebo-
renen anstellen können. In dieser Beziehung äußert
sich sein Bericht, wie folgt:
In ihrer ungeheuchelten Freude über den ab-
geschlossenen Frieden und den nicht sicher erwarteten
Besuch des Gouverneurs suchten sich die Busaleute
offenbar von ihrer liebenswürdigsten Seite zu zeigen:
das aber steht fest und das kann man bei Gelegen-
heit von Palavern bald herausfinden, daß die Berg-
völker ungleich wilderen Charakters sind als die
umwohnenden Stämme der Ebene und Blutvergießen
etwas Alltägliches ist. Die sogenannten Palaver sind
nicht bloß Rechtsstreitigkeiten, sondern Friedensver-
handlungen, bei denen neben zerstörten Hütten und
geraubtem Vieh immer noch eine größere oder geringere
Zahl getödteter oder verletzter Menschen in Frage
kommen. Den Rechtsanschauungen dieser Bergvölker
entspricht der Saßz, daß Blut nur durch Blut gefühnt
werden kann; hieraus ergiebt sich von selbst die
Schwierigkeit, zu einem Friedensschluß zu kommen;
denn der Theil, der Unrecht bekommt, muß seine
Schuld mit Blut bezahlen, und dazu versteht sich
kein Stamm so leicht; auch ist es sehr schwer, die
feindlichen Parteien zusammenzubringen, denn das
kann bloß in einem neutralen Dorse geschehen, zu
welchem jede Partei gelangen kann, ohne feindliches
Gebiet zu betreten. Es gelang mir auf diese Weise,
einige alte Fehden beizulegen, und ich glaube, es
wird im Allgemeinen nicht schwer sein für einen
mit den Eingeborenen bekannten und bei ihnen be-
liebten Weißen, Streitigkeiten zu schlichten, weil beide
Parteien froh sind, ohne Todesangst ihren Geschäften
nachgehen zu können. Um die Geringfügigkeit der
Anlässe zum Blutvergießen zu kennzeichnen, will ich
hier bloß die Fehde zwischen den Voana= und
Busumbuleuten erwähnen. Letzere hatten ein Fest
mit Ringkämpfen veranstaltet, zu welchem sich Boana-
leute ebenfalls einfanden, jedoch meist im Ningkampfe
geworfen wurden. Dies gab Anlaß zu einer Schlä-
gerei ohne bedeutende Folgen, die damit ihr Ende
erreichte, daß die Boanaleute Busumbu verließen;
einige von ihnen jedoch lauerten in Verstecken und
hieben, als es schon dunkel war, zwei damals unge-
fähr vier bis fünf Jahre alte Kinder von Busumbn mit
Haumessern, ohne sie jedoch zu tödten, nieder. Infolge
dessen zogen die Busumbuleute gegen die Boana,
um sie zu züchtigen, mehrere Todte und Verwundete
auf beiden Seiten waren das Ergebniß dieser Feind-
seligkeiten, welche sich noch zwei Jahre fortsetzten
und wodurch die Zahl der gegenseitigen Gewaltthaten
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stetig wuchs. Ich hielt das Palaver im neutralen
Buca ab. Nachdem beide Parteien ihre Sache mit
großem Nachdruck verfochten hatten, gab ich den
Boanalenten Unrecht, weil sie durch Mißhandlung
kleiner Kinder den Grund zu den Feindseligkeiten
gelegt hatten. Diese Entscheidung nahmen sie sofort
an und es handelte sich nunmehr um die Festsetzung
der Strafc bezw. Entschädigung. Die Busumbn-
leute verlangten natürlich sofort, daß einige Boana-
leute getödlet werden sollten; als ich ihnen jedoch
erklärte, daß schon genug Leute auf beiden Seiten
todt seien und sie bloß Zahlung verlangen könnten,
waren die Parteien in kürzester Zeit über die Zah-
lung, welche in der Hauptsache in einer bestimmten
Stückzahl Vieh, als Ochsen, Ziegen, Schweinen, be-
stand, einig.
Einen Hauptanlaß zu Friedensstörungen und zu
Blutvergießen geben die überall im Gebirge vor-
handenen Zauberer ab, die um ein paar Groschen
bereit sind, die Schuld am Eintritt von Nakur-
ereignissen oder für natürliche Todesfällc unschuldigen
Personen beizumessen, die dann mit dem Tode und
Einziehung ihres Vermögens bestraft werden. Der
Aberglaube und die Furcht vor diesen Schwindlern
sind so groß, daß z. B. die Busalente sich nicht ge-
traulen, einen solchen am Tage meines Eintreffens
verstorbenen Zauberer zu beerdigen, und der Häupt-
ling Kuba fünf Kru-Ziegen zahlte, damit meine Dol-
metscher mit Hülfe meiner Träger die Leiche zwei
Stunden von Bué6a entfernt begruben.
Diese Uebelstände mit Gewalt jetzt schon aus-
rotten zu wollen, ist unmöglich und könnten dadurch
der Negierung nur Verwickelungen bereitet werden,
welche die Erschließung des Gebirges verzögern
würden.
So weit der Bericht des Gounverneurs.
Um die Einwirkung der Regierung zu erhöhen
und die weitere Befestigung der friedlichen Zustände
im Gebirge zu erreichen, ist die häufige Berührung
des Verwaltungsbeamten in Victoria mit den Be-
wohnern des Gebirges erforderlich. Zu diesem
Zwecke ist die Anlage eines Weges von Victoria
nach Buca, als einem der bedentendsten Dörfer, ge-
plant und in Angriff genommen worden. Da Ar-
beitskräfte in genügender Zahl zur Verfügung gestellt
werden können, so hofft der Gouverneur, daß die
Fertigstellung des Weges in nicht zu ferner Zeit
erreicht werden könne.
Aus Südwestafrika.
Den Berichten des Premierlientenants v. Bülow
über seine in Gemeinschaft mit einer Expedition der
South-West-Africa Company im November und De-
zember v. Is. in das Otavigebiet ausgeführte Reise
entnehmen wir Folgendes: