Full text: Deutsches Kolonialblatt. IV. Jahrgang, 1893. (4)

ihres Herrn emporarbeiten und Vermögen erwerben. 
Sklavenmädchen bedienen die freien Frauen und 
werden mit Sklaven verheirathet. Der Sklave steht 
im Eigenthum seines Herrn. Das Recht der Tödtung 
sieht dem Herrn gegen seinen Sklaven seit Errichtung 
der deulschen Schusherrschaft nicht mehr zu. Aber 
auch vordem wurde von demselben aus Furcht vor 
der öffentlichen Meinung und der Nachsucht der 
anderen Sklaven so gut wie gar kein Gebrauch ge- 
macht. Während früher der Sklave gegen seinen 
Herrn nicht klagbar werden konnte und dem Letteren 
gegenüber somit schutzlos war, kann jetzt vor dem 
Gorwernementsgericht jeder erwachsene Mensch als 
Kläger auftreten. Das eigene Interesse des Herrn 
erfordert, daß er den Sklaven gut behandelt und in 
Krankheitsfällen pflegt, da durch den Tod oder die 
Arbeitsunfähigkeit des Sklaven das Vermögen des 
Herrn eine Einbuße erleidet. Auch wird der Sllave 
mit Frauen seitens des Herrn versorgt, schon weil 
diesem der werthvolle weibliche Nachwuchs des 
Ersteren zufällt. Für straffällige Handlungen des 
Sklaven hat der Herr einzustehen, falls der Schul- 
dige nicht im Stande ist, die geforderte Sühne zu 
leisten. 
Die Aufhebung des seit Jahrhunderten hier be- 
stehenden Instituts der Sklaverei kann nur allmäh- 
lich geschehen und wird dadurch vorbereitet, daß die 
Regierung alle Eingeborenen als unter gleichem Recht 
stehend behandelt und hierdurch dem Sklaven seine 
Menschenwürde zum Bewußtsein bringt. 
Ein Aussluß des Instituts der Sklaverei ist die 
Abneigung des Eingeborenen gegen körperliche Arbeit, 
welche derselbe eines freien Mannes für unwürdig 
erachtet. Daher die allgemeine Klage über den 
Mangel an Arbeileträsten, welcher auf den Unler- 
nehmungsgeist namentlich bezüglich des viele Arbeits- 
kräste ersordernden Plantagenbaues so lähmend 
wirkt. Die Regierung, welche es sich zur Aufgabe 
gestellt hat, diesem Uebelstand durch Erziehung der 
Eingeborenen zur Arbeit abzuhelsen, hat im Berichts- 
jahre etwa 800 Eingeborene aus allen Theilen des 
bisher erschlossenen Schutzgebietes auf die Dauer von 
6 bis 12 Monaten als Lohnarbeiter angeworben. 
Von diesen Arbeitern, welche sich aus Dualla-, Bak- 
wiri-, Malimba-, Bakoko-, Bapuko-, Banoko-Wori-, 
Abo-, Mabea= und Jaunde-Leuten zusammensetzen, 
sind 160 der Kamerm-Land= und Plautagen-Ge- 
sellschaft am Kriegsschissshafen zugeführt worden. 
Allerdings ist die Arbeit dieser Eingeborenen der 
Arbeit der in das Schutzgebiet zu Arbeitszwecken 
eingeführten Kru-, Accra-, Wei-, Sierra Leonc= und 
Gabunleute, welche seit Langem an körper- 
liche Arbeit gewöhnt sind, noch nicht gleich- 
werthig. Auch ist die Arbeiterfrage, solange 
noch keine Faktorei, keine Pflanzung, keine 
Negierungsstation ohne einen Stamm fremder Arbeiter 
bestehen kann, nicht als gelöst zu betrachten. Immer- 
hin berechtigen aber die umfangreichen Arbeiter- 
anwerbungen des Berichtsjahres zu der Hoffumg, 
  
17 — 
daß auch in unserem Schutzgebiete die Arbeiterfrage 
mit Ruhe und Geduld einer glücklichen Lösung ent- 
gegengeführt werden wird, zumal die meist intelli- 
genten und kräftigen Einwohner der Kolonie für die 
Arbeit gut gqualifizirt zu erachten sind. Dann wird 
auch die große Summe Geldes, welche die fremden 
Arbeiter jährlich mit sich in die Heimath nehmen, 
dem Schutgebiete erhalten bleiben und zu Gute 
kommen. 
XI. Allgemeine Uebersicht über die Ent- 
wickelung, 
welche das Schutzgebiet von Kamerun in der Zeit 
vom 1. August 1892 bis 31. Juli 1893 genommen hat. 
Vom I. August vorigen bis 27. Juni d. Is. stand 
an der Spiße des Schutgebietes der Gouverneur 
Zimmerer, welcher seit dem 28. Juni d. Is. beur- 
laubt und durch den Kanzler Leist vertreten ist. 
Erfreulicherweise ist ein Fortschritt in der Ent- 
wickelung der Kolonic zu verzeichnen. Die Zahl der 
Weißen hat sich vermehrt, eine neue deutsche Firma 
(Küderling & Co.) ist etablirt worden, und die 
alten Firmen sind in der Unterbindung des Zwischen- 
handels der Eingeborenen durch Errichtung von 
Zweigfaktoreien an den Wasserstraßen fortgesahren. 
Die Regierung hat ihren Einfluß von der Küste und 
den Flußusern auf die Binnenstämme der Bassa-, 
Longasi= und Bomonobevölkerung auf dem Wege 
des friedlichen Palavers in den bezüglichen Land- 
strichen ausgedehnt. Im Hinterlande von Nord- 
Kamerun ist die Regierungsstation Batum zum 
Schutze des Waldlandes gegen die Uebergrisse der 
Graslandstämme gegründet, im Hinterlande von Süd- 
Kamerun ist zum Schutze der bestehenden Station 
Jaunde und des zwischen dieser Station und der 
Küste sich bewegenden Karawanenhandels die Er- 
richtung eines militärischen Postens in Lolodorf in 
der Entstehung begriffen. Der an den Fällen des 
Sannaga gelegenen Regierungsstation Edea ist infolge 
der Zunahme des Handels dieser Wasserstraße ein 
bezirksamtsähnlicher Charakter beigelegt worden. 
Die Hoffnung auf die wirthschaftliche Rentabilität 
des Schutzgebietes ist gesteigert, seitdem durch die 
erfolgreichen Versuche auf der Regierungsplantage 
des erweiterten botanischen Gartens die Ertrags- 
sähigkeit des Bodens der Gebirgslandschaften außer 
Zweifel gestellt ist. Die Lösung von 15 Erlaubniß- 
scheinen zum Schürfen auf Edelmetalle zeigt, daß 
der Unternehmungsgeist sich auch der Aussuchung 
von mineralischen Bodenschätzen zugewandt hat. Die 
Grundbesitzverhältnisse sind durch Einrichtung dreier 
Grundbücher in geordnete Bahnen geleitet, und die 
Arbeiterfrage ist durch Anwerbung freier Einge- 
borener zu längerem Dienste ihrer glücklichen Lösung 
näher geführt worden. Die Kreditverhältnisse des 
Schutzgebietes haben seit erfolgter Tilgung der 
Mehrzahl der europäischen Trustforderungen durch 
die Eingeborenen eine wesentliche Besserung erfahrer
	        
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