Denkschrift,
betreffend
das südwestafrikanische Schutzgebiet unter besonderer Berücksichtigung des Zeitraums
vom 1. Oktober 1892 bis zum 30. September 1893.
Allgemeiner Charakter des Landes.
Das südweslafrikanische Schutzgebiet ist keine
tropische Kolonie, die sich durch hervorragende Frucht-
barkeit des Bodens und Reichhaltigkeit von Export-
produkten auszeichnet. Der Küstenstrich ist in einer
Breite von annähernd 50 Kilometer sandig und das
Hinterland im Vergleich zu fruchtbareren Ländern
vielfach wasserarm. Diesen Nachtheilen stehen in-
dessen als Vorzüge gegenüber: das vortreffliche Klima,
die ausgedehnten Weidegründe, auf denen Europäe##
als Viehzüchter ihr Auskommen finden können, die
schwache einheimische Bevölkerung, die nur einen
geringen Theil des Landes bewohnt, und endlich die
geographische Lage, die es mit sich bringt, daß im
Laufe der Zeit der kürzeste Verkehrsweg von Europa
nach den zukunftsreichen Gebieten des oberen Sambesi
durch unser Schutzgebiet gehen wird.
Klimatische Verhältnisse.
Das Klima ist bekanntlich dem Europäer durch-
aus zuträglich. Der Privatdozent Dr. Karl Dove,
der im Auftrage der Deutschen Kolonialgefellschaft
eine meteorologische Station in Windhoek errichtet
hat, äußerte sich vor Kurzem folgendermaßen hier-
über: „Aus den bisherigen Beobachtungen geht her-
vor, daß die Mitteltemperaturen in unserem Schutz-
gebiete wohl um einen Grad, vielleicht aber noch
niedriger sind, als man nach den bisher vorhandenen
Messungen annahm. Obwohl die Temperatur mit-
tags weit höher war als in Mitteleuropa, ist sie
doch nicht entfernt so unangenehm zu ertragen, wie
die Sommerwärme der meisten deutschen Gegenden.
Obwohl ich auch in der Mittagszeit ganz tüchtige
Märsche gemacht habe, habe ich bei gutem Schutz
des Kopfes gegen die direkte Sonnenstrahlung, die
allerdings lästig werden kann, nie jenes Gefühl der Er-
mattung empfunden, welches uns an warmen Sommer=
tagen in Deutschland oft schon nach kurzen Wegen
beschleicht. Dieselben Erfahrungen machen alle An-
gehörigen der Truppe und die Ansiedler, welche täg-
lich recht tüchtig im Freien arbeiten, ohne über
unangenehme Folgen der Wärme zu klagen. Die
Ursache dieser Erscheinung ist die außerordentliche
Trockenheit der Luft, zu der in Windhoek noch die
günstigen Wirkungen der Höhenlage (1177 Meter)
hinzukommen, welche sich vereinigen, um das Klima
zu einem der gefundesten der Erde zu machen.“
Im vergangenen Jahre, d. h. in der Zeit vom
1. Oktober 1892 bis zum 30. September 1893
waren die Niederschläge außerordentlich reichlich, so
daß die periodischen Flüsse des Landes, insbesondere
der Swakop und der Kuisib, länger und stärker als
in früheren Jahren gelaufen sind. Infolge dieser
günstigen Witterungserscheinungen haben sich die
Weideverhältnisse besonders vortheilhaft gestaltet.
Trotz der lang anhaltenden Regen war der gesund-
heitliche Zustand der Bevölkerung ein vorzüglicher.
Epidemische Krankheiten sind nirgends vorgekommen.
Viehzucht.
Es besteht kein Zweifel mehr darüber, daß im
südwestafrikanischen Schutzgebiete Viehzucht in großem
Maßstabe betrieben werden kann. Das Rindvieh,
das als Schlachtthier werthvolle Fettschwanzschaf,
sowie die Ziege gedeihen dort vorzüglich und ver-
mehren sich außerordentlich rasch. Die mit der Zucht
von Wollschafen und Angoraziegen angestellten Ver-
suche sind zufriedenstellend ausgefallen. Die Pferde-
zucht, die auch mit Erfolg betrieben werden kann,
ist allerdings, so lange kein Mittel gegen die dort
periodisch auftretende Pferdeseuche entdeckt wird, mit
besonderem Risiko verbunden. Zur Straußenzucht
sind die Boden= und klimatischen Verhältnisse eben-
falls günstig.
Die Eingeborenen, die gegenwärtig fast die ein-
zigen Viehproduzenten sind, benutzen nur einen be-
schränkten Theil der Weideflächen des Landes. Die
Produktion des Schutzgebietes an Schlacht= und Zug-