Full text: Deutsches Kolonialblatt. IV. Jahrgang, 1893. (4)

Schutztruppe. 
Die Schutztruppe besteht außer dem Führer, als 
dessen Vertreter der Premierlieutenant v. Frangois 
fungirt, aus 6 Offjzieren, 1 Sanitätsoffizier und 
etwa 340 Mann. Die Unteroffiziere und Mann- 
schaften sind auf Grund freiwilliger Meldungen dem 
aktiven Dienststande der Armee, die Gemeinen durch- 
weg dem dritten Jahrgange entnommen. Bei der 
Auswahl ist vollkommene Felddienstfähigkeit, Zu- 
verlässigkeit, gute Führung und gute militärische Aus- 
bildung, vor Allem im Schießen und im Felddienst, 
als unerläßliche Vorbedingung gestellt worden. Ferner 
ist darauf geachtet worden, daß die einberufenen 
Leute bei einem der kleineren südafrikanischen Pferde- 
rasse angemessenen Körpergewicht Geschick zum Reiten 
sowie Kenntnisse in der Behandlung und Wartung 
von Pferden haben. Die starke Vermehrung der 
früher nur 50 Köpfe starken Truppe hat eintreten 
müssen infolge der Nothwendigkeit eines bewaffneten 
Einschreitens gegen Hendrik Witbooi. Ueber die 
Veranlassung und den Erfolg dieses Vorgehens ist 
Folgendes hervorzuheben: 
Militärisches Einschreiten gegen Hendrik 
itbooi. 
In den seit länger als 10 Jahren andauernden 
Fehden zwischen dem Stamme der Hereros und den 
Witbooischen Hottentotten hatte Hend rik Witbooi, 
seitdem er seinen Stammsitz Gibeon verlassen hatte 
und, nach Norden vordringend, sich in dem Jan 
Jonkerschen Gebiete festgesetzt hatte, allmählich ein 
entschiedenes Uebergewicht über seine Gegner erlangt. 
In Hornkranz hatte er einen gut befestigten Platz 
angelegt, der ihm bei seinen Raub= und Mordzügen 
gegen die Hereros einen sicheren Stützpunkt bot. 
Hatte er es bei seinen zahlreichen Streifzügen auch 
vornehmlich auf den Raub der werthvollen Rinder- 
herden seiner Gegner abgesehen, so schreckte Hendrik 
doch vor meuchlerischen Angriffen gegen das Leben 
der im Allgemeinen friedlich gesinnten Hereros und 
der gleichfalls unter deutschem Schutze stehenden 
Bastards nicht zurück, und noch im Jahre 1892 
war bekannt geworden, daß er gefangene Hereros 
grausam ermorden ließ. 
Mit allen Schmugglern und anderen der deutschen 
Schutzherrschaft feindlich gesinnten Elementen in enger 
Verbindung stehend, hatte er seine Feste Hornkranz 
mit Waffen, Munition und sonstigem Kriegsmaterial 
reich versorgt. Sein Fanatismus und die krankhafte 
Vorstellung, daß er zum Alleinherrscher eines mächtigen 
südafrikanischen Reiches berufen sei, sowie das Ver- 
trauen in seine Unbesiegbarkeit, das er seiner Ge- 
folgschaft einzuflößen verstand, führten ihm fortgesetzt 
zahlreiche neue Anhänger zu und verschafften ihm 
schlieslich eine Machtstellung im Schutzgebiete, die 
für die politische und wirthschaftliche Entwickelung 
verhängnißvoll zu werden drohte. Die frühere kaum 
50 Mann starke Schutztruppe mußte sich noth- 
Ledrungen jeder Einmischung in diese Zustände ent- 
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halten, weil sie der aus ungefähr 600 wohlbewaffneten 
und vortrefflich eingeübten Kriegern bestehenden Macht 
Witboois schon ihrer Zahl nach nicht gewachsen war. 
Sie beschränkte sich daher darauf, Leben und Eigen- 
thum der Weißen gegen Uebergriffe zu schützen, lehnte 
aber in den Kämpfen der Eingeborenen jede Partei- 
nahme ab. Diese Haltung der Truppe trug nicht 
zum Mindesten dazu bei, das deutsche Ansehen in 
den Augen der Eingeborenen, namentlich der Re- 
hobother Bastards und der Hereros, herabzusetzen 
und sie der Schutzherrschaft zu entfremden, da sie in 
der Unthätigkeit der Truppe eine Nichterfüllung der 
mit ihnen geschlossenen Schutzverträge erblicken 
mochten. Andererseits machte sich Witbooi die 
Zurückhaltung der Truppe zu Nutze, indem er, un- 
bekümmert um das nur wenige Tagereisen von seinem 
befestigten Lager entfernte Hauptquartier der Schutz- 
truppe, seine Räubereien fortsetzte. Selbst den Weißen 
gegenüber, mit denen er früher jeden Zusammenstoh 
sorgfältig vermieden hatte, trat er herausfordernd 
auf. So wagte er es, dem Landwirth Hermann, 
als dieser das in Gemeinschaft mit der deutschen 
Kolonial-Gesellschaft für Südwestafrika betriebene 
Schäfereiunternehmen nach Nomtsas verlegen wollte, 
das Betreten dieses Platzes unter nicht mißzuver- 
stehenden Drohungen zu untersagen. Daß Handel 
und Verkehr sowohl, wie die segensreiche Thätigkeit 
der Missionare unter diesen Zuständen schwer zu leiden 
hatten, liegt auf der Hand. Immer dringender 
wurde aus der Mitte der im Schutzgebiet thätigen 
Händler, aus Missionskreisen und von Seiten der 
Forschungsreisenden die Aufforderung an die Re- 
gierung gerichtet, durch eine größere Machtentfaltung 
das erschütterte Ansehen der deutschen Schutzmacht 
wieker zu befestigen. Die in dieser Beziehung laut 
gewordenen Wünsche begegneten sich mit den An- 
trägen des Kaiserlichen Kommissars, der in seinen 
Berichten darauf hinwies, daß eine gedeihliche wirth- 
schaftliche Entwickelung des Schutzgebietes so lange 
ausgeschlossen sei, als es nicht gelänge, die Macht- 
stellung Hendrik Witboois zu brechen. Auch die 
beiden Brüder des Kaiserlichen . Kommissars, der 
Premierlieutenant in der Schutztruppe v. Frangois 
und der Major v. Frangois, der kurz zuvor 
eine Informationsreise nach dem Schutzgebiet unter- 
nommen hatte, machten bei ihrem Eintreffen in 
Berlin im Frühjahr 1892 an amtlicher Stelle ein- 
dringlich auf die Gefahren aufmerksam, die unaus- 
bleiblich sein würden, falls nicht dem weiteren Um- 
sichgreifen des verderblichen Einflusses der Wit- 
booischen durch eine erhebliche Verstärkung der 
Schutztruppe rechtzeitig vorgebeugt würde. Nach den 
auf das Eingehendste begründeten Anträgen des 
Kommissars bedurfte es zur Niederwerfung Hendrik 
Witboois einer Verstärkung der Truppe bis auf 
ungefähr 300 Mann. 
Nach alledem konnte die Regierung sich der 
Ueberzeugung nicht länger verschließen, daß die Zu- 
stände im Schutzgebiet eine Gestalt angenomme'
	        
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