20. Die befreiten Sklaven werden, soweit sie
noch im kindlichen Alter sich befinden, den verschie-
denen Missionsanstalten und zwar unter gleicher
Berücksichtigung der katholischen und evangelischen
Konfessionen überwiesen. Selbstverständlich wird da-
für Sorge getragen, daß Angehörige derselben Fa-
milie zusammenbleiben. Die Erwachsenen werden,
wenn sich für sie eine Gelegenheit bietet, in ihre
Heimath zurückbefördert, anderensalls ist, bisher aller-
dings mit geringem Erfolge, der Versuch gemacht
worden, sie auf den dem Gouvernement gehörigen
Landgütern anzusiedeln. Weitere Versuche, die nach
dieser Richtung hin noch gemacht werden sollen,
werden lehren, ob nicht eine andere Auskunft gesucht
werden muß.
LI.
21, 22. Da, soweit hier bekannt, an der Ostküste
Afrikas solche Personen, die als Nichteingeborene an-
zusehen sind und als solche jebt dem deutschen Straf-
gesetz unterliegen, niemals Sklavenraub oder Sklaven-
handel getrieben, und voraussichtlich noch weniger in
Zukunst treiben werden, wird das zu schaffende Ge-
setz schwerlich jemals Anwendung finden. Da jedoch
die Brüsseler Akte den Erlaß cines solchen Gesetzes
verlangt, wird es sich empfehlen, die Bestimmungen
desselben so einzurichten, daß ihre analoge Anwen-
dung gegen die einzig in Frage kommenden Personen:
Araber, Beludschen und Angehörige der im Schut=
gebiet einheimischen Stämme die beabsichtigte Wir-
kung erzielt. Zu diesem Zwecke wird, wie der
Kolonialrath in seiner Resolution (Anlage II zu
Nr. 10, Saß 1) richtig erkannt hat, auf die schwersten
Fälle die Todesstrafe zu setzen sein, wie diese von
den den Sklavenraub und Sklavenhandel bekämpfen-
den Nationen schon bisher in der Praxis angewandt
worden ist. Ich würde daher vorschlagen, im Ab-
satz 1 des § 1 des Gesetzes die Androhung der
Todesstrafe für „Veranstalter und Anführer
von Unternehmungen zum Zwecke des Sklaven-
raubes“ aus zusprechen. Den Ausdruck „Streif-
zug“ würde ich nicht gebrauchen, da innerhalb
unseres Schutzgebietes Sklaven nicht allein auf
„Streifzügen“ geraubt, sondern vielmehr häufiger
gelegentlich des Durchzugs auch auderen Handels-
zwecken dienender Karawanen mitgeschleppt oder an
der Küste unter falschen Vorspiegelungen oder mit
Gewalt in Fahrzeuge gebracht werden. Gegen § 2,
8 und 5 des Gesetzes ist nichts zu erinnern. Doch
würde eine einfache Anwendung des § 2 auf Ein-
geborene nicht möglich sein. Es müßte vielmehr
in die diesbezüglich zu erlassenden Bestimmungen an-
statt „wer Sklavenhandel treibt“, zu sezen sein: „wer
Sklavenhandel gewerbs= oder gewohnheitsmäßig oder
über See betreibt“", da der Wechsel des Eigenthums
an Pflanzungs= und Haussklaven, welche meist mit
deren Einwilligung geschieht und von dem Schrecken
des gewerbsmäßigen Sklavenhandels gänzlich frei ist,
ohne schwere Umwälzungen, kriegerische Verwickelungen
und wirthschaftlichen Ruin breiter Schichten der
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Bevölkerung zur Zeit und plötlich nicht verhindert
werden kann. Auch für den gewerbsmäßigen Sklaven-
handel würde in schweren Fällen die Todesstrafe
anzudrohen sein.
Welche Maßregeln im Sinne des 8 4 des Ge-
setzes durch Kaiserliche Verordnung zu treffen wären,
läßt sich hier nicht übersehen, weil, wie bereits be-
merkt, an der hiesigen Küste eine Betheiligung des
Europäerelements an Sklavenraub und Sklavenhandel
unerhört ist. Was die Eingeborenen betrifft, so sind
die in Gemäßheit der Brüsseler Akte zur Verhütung
des Sklavenraubes und Sklavenhandels zu treffenden
Maßregeln im Verordnungswege theils schon ge-
troffen, theils in der Ausführung begriffen.
23. Der Erlaß von. Strafbestimmungen zur
Durchführung der Vorschriften über die Eingehung
von Dienstverträgen mit Eingeborenen hat sich bis-
her noch nicht als ein Bedürfniß geltend gemacht.
B.
24. Bisher ist das strafgerichtliche Verfahren
gegen Eingeborene des Schutzgebietes, soweit es nicht
auf Grund der erlassenen Verordnungen eingeleitet
wurde, nicht nach geschriebenem Recht, sondern nach
den mohammedanischen religiös-gesetlichen Vor-
schriften, nach Gewohnheitsrecht und nach allgemeinen
europäischen Rechtsgrundsähen gehandhabt worden.
Will man für die auf Grund des Artikels V der
Brüsseler Akte auszuübende Strafgewalt eine ge-
schriebene Grundlage schaffen, so wird es sich em-
pfehlen, eine Verordnung zu erlassen, durch welche
die schwereren im Artikel erwähnten Verbrechen mit
dem Tode, die leichteren mit Kettenarbeit oder bloßer
Freiheitsentziehung bedroht werden. Diese Strafen
sind ohne geschriebenes Gesetz schon bisher im Schutz-
gebiete vollstreckt worden.
25. Sklaven, welche im Machtbereiche der
dentschen Behörden ihren festen Wohnsitz haben,
verleugnen niemals ihre Eigenschaft als Sklaven
oder nur zu dem Zweck, um sich die Freiheit zu
erschwindeln. In diesem Falle wäre eine Straf-
bestimmung gegen den Herrn nicht am Platze. Nur
diejenigen Sklaven, welche sich noch in der Hand
des Näubers oder desjenigen befinden, der ihre
Verwerthung übernommen hat, pflegen ihre Eigen-
schaft als Sklaven stets zu verleugnen, weil sie,
durch die Qualen einer langen mühseligen Reise
stumpfsinnig gemacht, unbedingt die ihnen einge-
bläute Instruktion besolgen. Auch in diesem Falle
hat eine Strafbestimmung gegen den Herrn keinen
Zweck, weil er, wenn sein Verhältniß zu den
Stlaven aufgedeckt wird, schwerer Freiheitsstrafe
oder der Todesstrase verfällt.
26. Ein Bedürfniß für solche Strafbestimmungen
liegt nicht vor.
27. Der Kontraktbruch wird, wie bereits unter
Nr. 3 ausgeführt worden ist, bestrast.
28. Einer übermäßigen Züchtigung des Sklaven
durch seinen Herrn wird, wie unter Nr. 13 gesagt