Full text: Deutsches Kolonialblatt. IV. Jahrgang, 1893. (4)

20. Die befreiten Sklaven werden, soweit sie 
noch im kindlichen Alter sich befinden, den verschie- 
denen Missionsanstalten und zwar unter gleicher 
Berücksichtigung der katholischen und evangelischen 
Konfessionen überwiesen. Selbstverständlich wird da- 
für Sorge getragen, daß Angehörige derselben Fa- 
milie zusammenbleiben. Die Erwachsenen werden, 
wenn sich für sie eine Gelegenheit bietet, in ihre 
Heimath zurückbefördert, anderensalls ist, bisher aller- 
dings mit geringem Erfolge, der Versuch gemacht 
worden, sie auf den dem Gouvernement gehörigen 
Landgütern anzusiedeln. Weitere Versuche, die nach 
dieser Richtung hin noch gemacht werden sollen, 
werden lehren, ob nicht eine andere Auskunft gesucht 
werden muß. 
LI. 
21, 22. Da, soweit hier bekannt, an der Ostküste 
Afrikas solche Personen, die als Nichteingeborene an- 
zusehen sind und als solche jebt dem deutschen Straf- 
gesetz unterliegen, niemals Sklavenraub oder Sklaven- 
handel getrieben, und voraussichtlich noch weniger in 
Zukunst treiben werden, wird das zu schaffende Ge- 
setz schwerlich jemals Anwendung finden. Da jedoch 
die Brüsseler Akte den Erlaß cines solchen Gesetzes 
verlangt, wird es sich empfehlen, die Bestimmungen 
desselben so einzurichten, daß ihre analoge Anwen- 
dung gegen die einzig in Frage kommenden Personen: 
Araber, Beludschen und Angehörige der im Schut= 
gebiet einheimischen Stämme die beabsichtigte Wir- 
kung erzielt. Zu diesem Zwecke wird, wie der 
Kolonialrath in seiner Resolution (Anlage II zu 
Nr. 10, Saß 1) richtig erkannt hat, auf die schwersten 
Fälle die Todesstrafe zu setzen sein, wie diese von 
den den Sklavenraub und Sklavenhandel bekämpfen- 
den Nationen schon bisher in der Praxis angewandt 
worden ist. Ich würde daher vorschlagen, im Ab- 
satz 1 des § 1 des Gesetzes die Androhung der 
Todesstrafe für „Veranstalter und Anführer 
von Unternehmungen zum Zwecke des Sklaven- 
raubes“ aus zusprechen. Den Ausdruck „Streif- 
zug“ würde ich nicht gebrauchen, da innerhalb 
unseres Schutzgebietes Sklaven nicht allein auf 
„Streifzügen“ geraubt, sondern vielmehr häufiger 
gelegentlich des Durchzugs auch auderen Handels- 
zwecken dienender Karawanen mitgeschleppt oder an 
der Küste unter falschen Vorspiegelungen oder mit 
Gewalt in Fahrzeuge gebracht werden. Gegen § 2, 
8 und 5 des Gesetzes ist nichts zu erinnern. Doch 
würde eine einfache Anwendung des § 2 auf Ein- 
geborene nicht möglich sein. Es müßte vielmehr 
in die diesbezüglich zu erlassenden Bestimmungen an- 
statt „wer Sklavenhandel treibt“, zu sezen sein: „wer 
Sklavenhandel gewerbs= oder gewohnheitsmäßig oder 
über See betreibt“", da der Wechsel des Eigenthums 
an Pflanzungs= und Haussklaven, welche meist mit 
deren Einwilligung geschieht und von dem Schrecken 
des gewerbsmäßigen Sklavenhandels gänzlich frei ist, 
ohne schwere Umwälzungen, kriegerische Verwickelungen 
und wirthschaftlichen Ruin breiter Schichten der 
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Bevölkerung zur Zeit und plötlich nicht verhindert 
werden kann. Auch für den gewerbsmäßigen Sklaven- 
handel würde in schweren Fällen die Todesstrafe 
anzudrohen sein. 
Welche Maßregeln im Sinne des 8 4 des Ge- 
setzes durch Kaiserliche Verordnung zu treffen wären, 
läßt sich hier nicht übersehen, weil, wie bereits be- 
merkt, an der hiesigen Küste eine Betheiligung des 
Europäerelements an Sklavenraub und Sklavenhandel 
unerhört ist. Was die Eingeborenen betrifft, so sind 
die in Gemäßheit der Brüsseler Akte zur Verhütung 
des Sklavenraubes und Sklavenhandels zu treffenden 
Maßregeln im Verordnungswege theils schon ge- 
troffen, theils in der Ausführung begriffen. 
23. Der Erlaß von. Strafbestimmungen zur 
Durchführung der Vorschriften über die Eingehung 
von Dienstverträgen mit Eingeborenen hat sich bis- 
her noch nicht als ein Bedürfniß geltend gemacht. 
B. 
24. Bisher ist das strafgerichtliche Verfahren 
gegen Eingeborene des Schutzgebietes, soweit es nicht 
auf Grund der erlassenen Verordnungen eingeleitet 
wurde, nicht nach geschriebenem Recht, sondern nach 
den mohammedanischen religiös-gesetlichen Vor- 
schriften, nach Gewohnheitsrecht und nach allgemeinen 
europäischen Rechtsgrundsähen gehandhabt worden. 
Will man für die auf Grund des Artikels V der 
Brüsseler Akte auszuübende Strafgewalt eine ge- 
schriebene Grundlage schaffen, so wird es sich em- 
pfehlen, eine Verordnung zu erlassen, durch welche 
die schwereren im Artikel erwähnten Verbrechen mit 
dem Tode, die leichteren mit Kettenarbeit oder bloßer 
Freiheitsentziehung bedroht werden. Diese Strafen 
sind ohne geschriebenes Gesetz schon bisher im Schutz- 
gebiete vollstreckt worden. 
25. Sklaven, welche im Machtbereiche der 
dentschen Behörden ihren festen Wohnsitz haben, 
verleugnen niemals ihre Eigenschaft als Sklaven 
oder nur zu dem Zweck, um sich die Freiheit zu 
erschwindeln. In diesem Falle wäre eine Straf- 
bestimmung gegen den Herrn nicht am Platze. Nur 
diejenigen Sklaven, welche sich noch in der Hand 
des Näubers oder desjenigen befinden, der ihre 
Verwerthung übernommen hat, pflegen ihre Eigen- 
schaft als Sklaven stets zu verleugnen, weil sie, 
durch die Qualen einer langen mühseligen Reise 
stumpfsinnig gemacht, unbedingt die ihnen einge- 
bläute Instruktion besolgen. Auch in diesem Falle 
hat eine Strafbestimmung gegen den Herrn keinen 
Zweck, weil er, wenn sein Verhältniß zu den 
Stlaven aufgedeckt wird, schwerer Freiheitsstrafe 
oder der Todesstrase verfällt. 
26. Ein Bedürfniß für solche Strafbestimmungen 
liegt nicht vor. 
27. Der Kontraktbruch wird, wie bereits unter 
Nr. 3 ausgeführt worden ist, bestrast. 
28. Einer übermäßigen Züchtigung des Sklaven 
durch seinen Herrn wird, wie unter Nr. 13 gesagt
	        
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