Full text: Deutsches Kolonialblatt. IV. Jahrgang, 1893. (4)

hier wie dort mit blauen Abrus- und rothen 
Erythrina (0)-Fruchtkernen verziert sind; aber wir 
sehen bald, daß alle diese und auch noch die anderen 
uns bekannt erscheinenden Formen ausnahmslos 
aus Tanah-merah und von der Humboldt= 
Bai stammen, also aus einem Gebiete, das dem 
unseren unmiltelbar benachbart ist. Wir sehen daraus, 
wie hier die gegenwärlige politische Grenze auf Neu- 
Guinea beinahe vollständig mit der Grenze zwischen 
zwei kleinen ethnographischen Provinzen zusammen- 
trifft, und wir wissen ebenso, daß auch Englisch Neu- 
Guinea ethnographisch so vielfach von dem nördlichen 
und westlichen Theile der Insel abweicht (ich erinnere 
nur an seine Schilde mit den so eigenthümlich stili- 
sirten Malereien und Reliefs, an die riesigen flachen 
Sleinbeile, an die „Hungergürtel“ und an die 
Schlingen zum Meuschenfang), daß es abermals als 
ethnographische Provinz für sich betrachtet werden 
muß. Wir sehen so Neu-Guinea ethnographisch in 
drei streng getrennte Provinzen zerfallen, deren Grenzen 
sich mit der neuen politischen Theilung in höchst auf- 
fälliger Weise fast vollständig decken —, ohne daß 
uns einstweilen ein Grund für diese Erscheinung 
bekannt wäre, wenn wir auch annehmen müssen, daß 
alte Besicbelungen und Einwanderungen schon in sehr 
früher Zeit sich ähnlich wie die modernen Koloni- 
sirungen immer nur auf ganz bestimmte Theilc der 
Insel beschränkt haben. 
Nur ein eingehendes Studium der Sprachen und 
der anderen ethnographischen Eigenheiten jeder dieser 
drei Provinzen wird uns allmählich in den Stand 
setzen, diese ältesten Eimvanderungen zu erkennen und 
auf ihre Ursprünge zurückzuführen. Für Holländisch 
Neu-Guinea ist mit dem vorliegenden Werke ein 
mächtiger Schritt auf dieser Bahn gemachtk. Freilich 
ist auch für diesen Theil der dunklen Jusel noch viel 
zu thun übriggelassen, besonders was linguistische 
Arbeiten betrisst. Aber auch die wirkliche Bedentung 
der verschiedenen geschnitzten Figuren, „Talismane 
und Fetische“, sowie der eigenthümliche Schädelkultus 
wird uns erst allmählich mit einer besseren Kenntniß 
der religiösen Vorstellungen in jenen Gegenden er- 
schlossen werden; ebenso bleibt das Innere von 
Holländisch Neu-Guinea, weil die Aufsammlungen des 
Verfassers vorzüglich auf die Küstenstriche beschränkt 
geblieben waren, nach wie vor eine fast völlige terra 
incognita selbst im Vergleiche mit Deutsch und 
Englisch Neu-Guinea, wo unsere ekhnographische Er- 
kenntniß durch die Befahrungen des Augusta-Flusses 
und des Fly-River und durch einzelne andere Vor- 
stöße doch schon anfängt, über einen schmalen Küsten- 
streisen hinaus sich zu erstrecken. 
Ganz besonders empfindlich aber bleibt noch die 
Lücke in unserer Kenntniß der rein anthropologischen 
Verhältnisse; gerade in Holländisch Neu-Guinca, wo# 
sicher der indonesische Einfluß auf den schwarzen 
kraushaarigen Papua auch physisch energischer cin- 
gewirkt hat (und anscheinend noch weiter einwirkt) als 
in den anderen Theilen der Insel, würde cs doppelt 
  
70 — 
und dreifach erwünscht sein, wenn anthropologische 
Untersuchungen auf breitester Basis angestellt werden 
würden; freilich dürften auch diese nicht auf die 
Küste beschränkt bleiben, sondern müßten erst recht 
auf das Innere ausgedehnt werden; sie würden dann 
aber sicher einen Erfolg haben, der weit über die 
Bedentung einer rein lokalen Feststellung hinausreicht 
und in hohem Grade zur Lösung allgemeiner Fragen 
beitragen würde. 
Die drei dem Werke de Clereqs nach Natur- 
stizzen von F. W. van der Waarde beigegebenen 
Taseln mit menuschlichen Portraits sind ungemein be- 
lehrend für die Haartracht, für den Schmuck der 
Nase und der Ohren, für die Tätowirung und für 
manche andere Aeußerlichkeit — aber sie reichen auch 
nicht entfernt aus, um ein richtiges Bild von den 
physischen Eigenschaften der Bewohner von Holländisch 
Neu--Guinca zu ermöglichen. 
Immerhin kann das Verdienst der vier Männer, 
die jeder in seiner Art zu dem nun vorliegenden 
Werke beigetragen haben, nicht hoch genug geschäßt 
werden, vor Allem weil dieses Verhältnisse wissen- 
schafklich fixirt, welche gegenwärtig durch vielfache 
Einflüsse, sogar auch durch das Vordringen des 
Islam, mannigfachen Aenderungen unterworfen sind 
und auch weil es eine wichtige und in sich abge- 
schlossene Sammlung, deren schließliches Schicksal bei 
der Vergänglichkeit ihres Materialcs naturgemäß 
immer ein ungewisses und unsicheres bleiben muß, 
in einer durchaus befriedigenden Weise reproduzirt, 
sie in Hunderten von Exemplaren über die ganze 
Erde verbreitet und so erst wirklich zum dauernden 
Besitz der Menschheit emporhebt. 
Noch viel dringender freilich wärc eine ähnlich 
zusammensassende und monumentale Arbeit für unseren 
eigenen Theil von Neu-Guinea; denn durch die dort 
jett stetig zunehmende Einfuhr fremder Arbeiter aus 
den verschiedensten benachbarten Gebielen und durch 
den Einfluß der immer zahlreicher zuströmenden 
Enropäer selbst wird da bald auch der letzte Rest 
unversälschten Volksthums verschwunden sein. Die 
Sammlungen allein aber, die da und dort in Europa, 
am vollständigsten jetzt natürlich in Berlin, aus 
Deutsch Neu-Guinea angehäuft sind, würden eine 
todte und unverstandene, bei aller Sorgfalt auf ihre 
Erhaltung auch eine vergängliche Masse bleiben, wenn 
sie nicht bald, ehe es hierzu für immer zu spät sein 
wird, in gehöriger Weise ergänzt und publizirt 
werden können. 
Inzwischen aber sei das gemeinsame Werk der 
Herren de Clercq, Schmelb und Trap dem wissen- 
schafllichen Publikum und allen Freunden unserer 
Schutzgebiete in der Südsee auf das Wärmste 
empfohlen. v. Luschan.
	        
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