Ueber die ersten zehn Jahre der Abenteurerlauf-
bahn Räbahs (1880 bis 1890) liegen uns zu vage
und spärliche Nachrichten vor, als daß sie uns zu
einer sicheren Erkenntnß der Ereignisse gelangen ließen.
Nach dem Bericht Muhammeds soll er zunächst in
das Gebiet der Dinkas (am Zusommenfluß des Bahr-
al-Gazal mit dem Nil) eingefallen sein und drei Jahre
mit diesem Stamme Krieg geführt haben. Daß dieser
Angabe eine Verwechselung mit der vorher erwähnten
Eroberung der Bahr-al-Gazal-Provinz durch Zubair
zu Grunde liegt, springt in die Augen. Femyman
erzählt in seinem soeben erschienenen Werke,1) daß
Räbah sich mit seinen Scharen nordwärts gewandt
und, nachdem er den Sultan von Borku zweimal
besiegt, von ihm die Erlaubniß erhalten habe, sich im
südlichen Grenzgebiet seines Reiches festzusetzen. Hier
soll er sowohl wie der erwähnte Sultan vom Mahdi,
der sich mittlerweile des gesammten ägyptischen Sudans
bemächtigt hatte, die Aufforderung erhalten haben,
sich der neuen Sache anzuschließen, was aber beide
mit Hohn abgelehnt hätten. In den darauf folgen-
den langjährigen Kämpfen zwischen den Mahdisten
und den zur Senusija gehörigen Stämmen des Grenz-
gebietes zwischen Darfor und Wadai soll Räbah
kräftigen Antheil genommen haben. So Ferryman.
Zu widerlegen vermag ich diese ohne Quellenangabe
gebotene Darstellung ebenso wenig, als ich sie aus
sachlichen Gesichtspunkten für wahrscheinlich halte.
Borku ist eine kleine Oasengruppe südöstlich von Ti-
besti, deren Bewohner Nachtigal auf 10 000 bis
12 000 angiebt.?)) Um dorthin zu gelangen, mußte
Räbah von Gerra (im südlichen Darfor), wo sich das
Lager Sulaimäns zur Zeit der Uebergabe befand,
entweder das von ägyptischen Truppen besetzte Darfor
in seiner ganzen Ausdehnung oder das von wilden
Bergstämmen bewohnte nördliche Wadai passiren und
außerdem noch einen nicht unbedeutenden Wüstenmarsch
machen. Was ihn unter diesen Umständen veranlaßt
haben sollte, auf diese kleine und entlegene Oasen-
gruppe loszuziehen, wo zwar viele Kämpfe aber wenig
Beute zu erwarten war, vermag ich nicht zu errathen.
Slarin Pascha giebt kurz an, daß er nach den „fernen
Ländern des Südwestens“ gezogen sei.3) Und diese
Angabe hat die größte Wahrscheinlichkeit für sich.
Auch Ferryman läßt ihn vor seinem Angriff auf
Bagirmi in dem Gebiet der Banda und Fertit
hausen.") Inmitten dieser und anderer heidnischer
Numniamstämme südlich von Darfor und nördlich
vom oberen Uelle fand er, was er brauchte: ein
geeignetes Feld für die Erbeutung von Sklaven,
deren er als Zahlungsmittel für Waffen und Munition
ständig benöthigte. Ein volles Jahrzehnt scheint es
gedauert zu haben, bevor er diese ehedem so volk-
reichen und blühenden Gegenden durch die mit
Sklavenjagden nothwendig verbundene Einäscherung
1) Ferryman, Imperial Africa, London 1898, S.354.
2) Sahara und Sudan II, 141.
3) Feuer und Schwert im Sudan, S. 25.
4) Imperial Africa, S. 355.
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von Städten und Dörfern in eine Wüstenei verwan-
delt hatte. Es galt jetzt, ein neues Feld für diese
in den Augen eines Muslims, soweit Götzendiener
in Betracht kommen, durchaus nicht ehrenrührige
Thätigkeit zu finden. Weiter südlich zu gehen, wo
das Beutemachen am leichtesten gewesen wäre, verbot
ihm die Rücksicht auf die Munitionszufuhr, die ja
durch seine Stammesgenossen, die Gallaba, von Norden
her erfolgte. Er wandte sich deshalb nordwestlich
und versuchte das Königreich Wadai zu überrennen.
Hier muß er aber energischen Widerstand gefunden
haben, wie das ja bei der straffen polilischen Orga-
nisation dieses aufstrebenden Reiches nicht anders zu
erwarten war.1) So stand er denn schon nach kurzer
Zeit von seinem Unternehmen auf Wadai ab und brach
mit seinen Scharen in das südwestlich davon belegene
Bagirmi ein. Wie Ferryman?) wissen will, soll Rabah
während seines Aufenthaltes in Dar-Banda und Dar-
Fertit an den Sultan von Bagirmi die Bitte ge-
richtet haben, seinen Händlern zwecks Munitions=
zufuhr aus Kukaua, der Haupistadt Bornus, friedlichen
Durchgang durch Bagirmi zu gewähren. Da der
Sultan diese Bitte unerfüllt gelassen, hätte Räbah
ihm Rache geschworen; die Gelegenheit, dieselbe zu
befriedigen, war jetzt geboten. Vergeblich suchte der
Sultan von Bagirmi bei den Höfen von Wadai und
Bornu um Unterstützung nach. Abschlägig beschieden
und nicht im Stande, dem gefürchteten Gegner in
offener Feldschlacht die Spitze zu bieten, warf er sich
in seine befestigte Hauptstadt Massenja hinein, das
ossene Land dem Feinde preisgebend. Räbah hauste
in gewohnter Weise, machte reiche Beute an Sklaven
und bemächtigte sich selbst einiger größerer Städte,
wie Gulfay und Logone. Aber sich für die Dauer
im Lande festzusetzen, war er nicht gesonnen. Dazu
waren ihm zu verlockende Schilderungen über den
natürlichen Reichthum Bornus wie über seine innere
Morschheit zu Ohren gekommen. Den Angriff auf
dieses Reich, dessen Prestige trotz aller faulen inneren
Verhältnisse bei den Nachbarvölkern noch immer sehr
groß war, scheint er von langer Hand vorbereitet
zu haben. Zunächst entsandte er geheime Emissäre
mit dem Auftrage, die politischen Differenzen, die
bei der Schwäche des Königthums hauptsächlich in
den gegenseitigen Rivalitäten der Würdenträger be-
standen, nach Möglichkeit zu schüren und gleichzeitig
für ihn Stimmung zu machen. Dann setzte er sich
mit dem Fulbehäuptling Mallam Hajato von Ga-
märe zwecks gemeinsamen Vorgechens gegen Bornu
in Verbindung. Dieser Fürst, der, im Gegensatz zu
den schwächlichen Epigonen des großen Otman dan
Fôdio auf dem Throne von Sokoto, einmal wieder
etwas von der kriegerischen und staatsmännischen
Tüchtigkeit seines Ahnherrn zeigte, war sofort zu
dem Unternehmen gegen den Erbfeind der Fulbe
bereit. Die vereinigten Truppen rückten in Bornu
1) Vergl. Nachtigal, Sahara und Sudan III, 51 ff.
2) Imperial Africa, S. 356.